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Transfermappe vs. Zukunftsplaner

von Heidi — Letzte Änderung 29.09.2012 20:35
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Es gibt so viele verschiedene Menschen, es gibt Alte und Junge, es gibt Gebildete und Bildungsferne, es gibt Arme und Reiche - außerdem gibt es noch die mit der Transfermappe und die mit dem Zukunftsplaner. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte folgen Sie mir in die wunderbare Welt von Samira (Name geändert) und Heidi (Name nicht geändert)!

Samira ist 15 Jahre alt, ich bin 50 Jahre alt. Samira ist Humankapital mit Migrationshintergrund, wie man an ihrem fremdländischen Namen gut erkennen kann. Ich bin Humankapital mit Pseudo-Migrationshintergrund, denn meinen fremdländischen Familiennamen habe ich erst bei der Heirat angenommen.

Samira ist in der 8. Klasse einer Mittelschule (früher Hauptschule genannt) im Münchner Norden und soll in den kommenden zwei Jahren fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Ich bin in der Nokia Siemens Networks Transfergesellschaft und soll in den kommenden anderthalb Jahren ebenfalls fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Samira bekommt von der Stadt München einen Zukunftsplaner, ich habe eine Transfermappe von Siemens Placement. Beide sind, ganau besehen, eigentlich nur Aktenordner mit Papier drin.

Der Zukunftsplaner sticht förmlich ins Auge: Schwarz mit leuchtenden Neonfarben, grelles Gelb und Giftgrün. Jeder soll sehen: Hier wird Zukunft geplant! Darauf kann man stolz sein! Die Transfermappe ist sehr dezent gestaltet, weiß mit einem schlichten Rückenschild "Transfermappe". Weiter nichts. Soll ja nicht gleich jeder sehen, dass da jemand transferiert wird... da muss man sich ja genieren...

Drinnen in den beiden Aktenordnern befinden sich z. B. Bewerbungsschreiben für Arbeits- bzw. Ausbildungsplätze oder Praktika und ein Lebenslauf, wobei der in der Transfermappe aus naheliegenden Gründen etwas umfangreicher ist als der im Zukunftsplaner. Dafür sind die Bewerbungsschreiben im Zukunftsplaner origineller.

Sowohl im Zukunftsplaner wie auch in der Transfermappe werden Wünsche und Ziele dokumentiert, Potential wird analysiert, die Traumkarriere wird anvisiert. Samira und ich, wir haben beide klare Ziele für unsere berufliche Zukunft vor Augen: Ich will eine neue Challenge, ich will meine Skills optimal einsetzen und lege Wert auf Work-Life-Balance. Samira will was Chilliges, das ordentlich Cash bringt. Ja ja, unsere Denglisch-Hausaufgaben haben wir beide brav gemacht!

Samira (die mit dem Zukunftsplaner) geht zu Info-Veranstaltungen des BIZ (Berufsinformationszentrum), ich (die mit der Transfermappe) nehme an Workshops in der BeE (Betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit) teil. Ob wir mal tauschen sollten? Würde das jemandem auffallen?

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