Kommunismus vs. Kapitalismus (2. Runde)
Nein, keine Sorge, ich hole jetzt nicht die zerschlissene, mottenzerfressene, rote Hammer-und-Sichel-Fahne vom Dachboden. Die will nun wirklich keiner mehr sehen. Und das alte, verwaschene Che-Guevara-T-Shirt ist mir ohnehin längst zu eng geworden, sowohl im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne.
Machen wir erst einmal um eine kurze Bestandsaufnahme. Wie verlief der Kampf Kapitalismus vs. Kommunismus bis jetzt? Im Kalten Krieg, also bis Ende der 80er Jahre, waren die Fronten klar definiert: Hier herüben im Westen die Kapitalisten, da drüben im Osten die Kommunisten. Bei uns im "Goldenen Westen" trieb sich allerlei rotes Gesindel herum, natürlich gesteuert von der Kommunistischen Internationale (Komintern). Ja, ich gebe zu, von denen war ich auch mal ganz entzückt und ich schwenkte so ein rotes Fähnchen, um meine Solidarität mit dem unterdrückten, ausgebeuteten Proletariat zu bekunden.
Mein Vater, Gott hab ihn selig, machte mich darauf aufmerksam, dass bei uns ja, genau besehen, gar niemand unterdrückt oder ausgebeutet wurde. Und da war was dran. Wir waren gewiss nicht reich, aber wir hatten immer genug zu essen und was Ordentliches zum Anziehen. Und immerhin, ich konnte meine rote Fahne schwenken, ohne hinter Schloss und Riegel zu verschwinden. Den Verwandten im real existierenden Sozialismus ging es wesentlich schlechter.
Der häufig geäußerten Aufforderung "Dann geh doch nach drüben!" leistete kaum jemand Folge. Wir blieben alle doch lieber hier bei den *PIEP* Kapitalisten.
Schließlich kam es wie es kommen musste: Der Ostblock brach zusammen, die Berliner Mauer wurde abgerissen, das westliche System hatte gesiegt. Freiheit, Demokratie und Wohlstand für alle! Darauf ein dreifach Hoch!
Naja, bloß dass damit die Geschichte noch nicht zu Ende ist. Die ging ja bekanntlich noch weiter. Wie sieht es jetzt aus, gut zwei Jahrzehnte nach dem Ende der "roten Gefahr"? Hat sich zusammen mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem auch überall die Demokratie durchgesetzt, wie es sich gehört?
Schauen wir erst mal nach Russland. Der Russe war ja der Kommunist schlechthin, der Bolschewist vom Dienst! Nun, die Wirtschaft hat sich ganz schön gemausert. Eingesperrt sind die Russen nicht mehr, sie dürfen reisen, wohin sie wollen - wenn sie es sich denn leisten können. Aber ist nun ein gewisser Wladimir Putin wirklich so viel demokratischer als ein gewisser Wladimir Uljanow, genannt Lenin?
Nun mal ein Blick nach Ungarn, wo der Kommunismus ebenfalls den Bach runtergegangen ist. Ich möchte Victor Orban nicht gerade als Demokraten par excellence bezeichnen! Von Pressefreiheit hält der bekanntlich nicht besonders viel.
Schließlich noch ein Abstecher in den Fernen Osten, nach Vietnam. Ja, das ist da, wo dieser Typ mit dem Ziegenbärtchen sein Unwesen trieb, der, bei dessen Namen man unwillkürlich "Gesundheit!" sagen wollte: Ho Tschi Minh. Auch in Vietnam hat der Kapitalismus Fuß gefasst. Die Wirtschaft wächst in einem Tempo, von dem wir in Europa nur träumen können. Und der Tourismus kommt langsam in die Gänge.
Aber es gibt in Vietnam nach wie vor nur eine einzige Partei, jegliche Opposition wird im Keim erstickt. Das muss so sein, denn ausländische Investoren, sprich: Kapitalisten, wünschen Stabilität und langfristige Perspektiven. Nicht zu vergessen die herrlich niedrigen Löhne! Also lieber kein demokratisches Mehrparteiensystem, sonst laufen - Gott bewahre! - irgendwann in Vietnam die Gewerkschaftler frei herum und organisieren Protestaktionen wir hier in München bei NSN.
Und überhaupt, was soll denn der Chinese denken, wenn direkt vor seiner Haustür die Demokratie ausbricht? Womöglich ist das ansteckend, igitt!
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Gleichung "Marktwirtschaft ist gleich Demokratie" geht leider nicht auf!
Genau so ist es. Diese Gleichsetzung ist reine Ideologie.
Auch der Kapitalismus darf nicht ideologisch begriffen werden, sondern instrumental, wie ein Asiatischer Politologe schreibt: http://www.ftd.de/[…]/60166202.html Der Kapitalismus (insbesondere in der Form des sozialen Marktwirtschaft)ist für ihn nur ein Werkzeug, um Wohlstand zu erzeugen, am besten für Alle. (INTR)