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Das Experiment (eine Kurzgeschichte)

von Heidi — Letzte Änderung 31.03.2012 00:20
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Diesmal eine kleine Kostprobe meines literarischen Talents, Ähnlichkeiten mit tatsächlich existierenden Personen oder Firmen sind natürlich rein zufällig. Der Leser soll ermutigt werden, sich alternative Handlungsstränge zu überlegen und evtl. auch eine Fortsetzung zu schreiben.

Gewerkschaften sind schon wirklich lästig. Meine Güte, was die alles verlangen: Faire Leiharbeit, unbefristete Übernahme von Auszubildenden, keine prekären Arbeitsverhältnisse, und und und... Ja, wo kämen wir denn da hin, wenn die so weitermachen.

Also muss man denen irgendwie das vorlaute Maul stopfen. Diese Gewerkschaftler müssen mal so richtig auf die Schnauze fliegen, aber mit Karacho, damit sie nicht so schnell wieder auf die Beine kommen.

Aber wie? Hm, da muss jetzt ein ausgefeilter Schlachtplan her. Psychologische Kriegführung ist angesagt! Erst mal gucken, welche Gewerkschaft wir für unser Experiment auswählen. Nehmen wir die IG Metall? OK, dann starten wir einen Pilotversuch mit den Metallern!

Der Versuchsaufbau ist nicht allzu aufwändig. Eine marode, durch Missmanagement an den Rand der Pleite getriebenen Firma (Speziell der Betrieb am Standort München) bietet ideale Rahmenbedingungen sowie bestens geeignete und den Experimentatoren teilweise bereits bekannte Versuchspersonen:

  1. Ein IGM-dominierter Betriebsrat
  2. Ein bereits seit über 10 Jahren bestehendes, gewerkschaftskritisches Mitarbeiternetzwerk
  3. Eine durch häufige Umorganisationen und Abbauwellen demotivierte Belegschaft

Dann kann's ja losgehen!

Schritt 1: Die Belegschaft mürbe machen mit vagen Ankündigungen, am besten vor Weihnachten, um ihnen die Feiertage zu verderben.

Schritt 2: Wenn sie so richtig am Zittern sind, mit dem großen Hammer zuschlagen. Der Standort München wird geschlossen (und gleich noch 29 weitere dazu), das ist alternativlos. Mindestens 2000 Leutchen (oder mehr?) verlieren ihren Job, und 1600 (oder weniger?) müssen umziehen. Und nur ja nichts genaues verlauten lassen, wer rausfliegt und wer umziehen muss und wohin. Die sollen ordentlich im eigenen Saft schmoren und sich total verrückt machen; mal sehen, ob sie reagieren wie gewünscht.

Schritt 3: Sie reagieren tatsächlich wie erwartet mit verzweifelten Hilfeschreien in Form von Mahnwachen, Demonstrationen und allerlei bunten, lustigen Aktionen. Organisiert wird das von der IGM, was bei der aufgeschreckten Belegschaft zu einem positiven Eindruck von der Gewerkschaft führt. Sogar das Mitarbeiternetz geht eine Allianz mit der IGM ein und rät zum Beitritt.

Schritt 4: Wie von den Leitern des Experiments gewünscht, treten nun scharenweise Mitarbeiter in die IGM ein, um der Gewerkschaft Verhandlungen mit der Betriebsleitung zu ermöglichen bzw. um ihr für solche Verhandlungen ordentlich den Rücken zu stärken. Sogar leitende Angestellte tragen auf einmal diese unsäglichen roten Käppis und tröten und pfeifen, bis man fast taub wird. Das lassen wir mal, sagen wir, etwa 2 Monate lang so weitergehen. Die sollen sich jetzt so richtig austoben und Hoffnung schöpfen, die von der IGM geschürt wird.

Schritt 5: Nun mit dem Metallern verhandeln. Eine Kommission darf nun einen Kompromiss aushandeln, mit dem natürlich nicht jeder einverstanden sein wird. Durch die wochenlangen Aktionen wurde eine aufgeheizte, geradezu euphorische Stimmung in weiten Teilen der Belegschaft erzeugt. Die sehen sich nun als tapfere, unbesiegbare Helden und sind zu keinerlei Verzicht mehr bereit. Wozu haben sie schließlich den ganzen Zirkus aufgeführt?

Schritt 6: Die große Ernüchterung setzt ein, sobald die ausgehandelten Eckpunkte verkündet werden. Soviel Arbeit, soviele Ideen, soviel Fantasie und Kreativität, soviel Unterstützung von Politikern und Prominenten, soviel Hoffen und Mutmachen - und nun dieses magere Eckpunktepapier? Nein, das ist nicht akzeptabel! Ohne die Schritte 3 und 4 sähe das vielleicht anders aus, aber so funktioniert es wie von den Leitern des Experiments gewünscht.

Schritt 7: Sie streiten wieder, hurra! in anonymen Internetforen wird kräftig auf die IGM und den Betriebsrat geschimpft, da ist von Verrat die Rede, es wird zum Austritt aus der Gewerkschaft aufgerufen, da diese ja doch mit der Geschäftsleitung paktiert und sich eine Dreck um die einfachen Werktätigen schert.

Schritt 8: Setzen wir noch eins drauf. Nun machen wir klar, dass der mühsam ausgearbeitete Plan B keineswegs sicher ist, es kann auch schiefgehen, falls die Abbaukandidaten nicht brav in die BeE gehen, und dann tritt automatisch wieder Plan A (siehe oben) in Kraft. Damit werden die letzen intakten Nerven der strapazierten Belegschaft endgültig blankgelegt und Gewerkschaft sowie Betriebsrat zum Abschuss freigegeben. Denn die haben das ja ausgehandelt!

Ergebnis: Die IGM ist gründlich diskreditiert, der Betriebsrat wird heftig attackiert, das Betriebsklima ist endgültig ruiniert. Das Experiment ist gelungen!

Oder?

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(2) Kommentare

Anonymer Benutzer 01.04.2012 20:53
Nö. So einfach kommst Du nicht davon weg. Erstens fehlt eine Beschreibung der Akteure und deren Motivation. Warum hat die IGM z.B so etwas abgeschlossen?

Deine Erzählung geht nicht darauf ein, auch nicht über die Tragweite dieses schrecklichen Abschlusses für andere Belegschaften.

Mehr bald.
Heidi 01.04.2012 21:22
Na, dann bin ich echt gespannt! Danke schon mal fürs Mitmachen.