Ford: Ermittlungsverfahren gegen 16 Beschäftigte
Was war passiert?
Im Oktober 2012 hatte der US-Autobauer Ford angekündigt, den Produktionsstandort Genk bis Ende 2014 zu schließen. Davon sind 10.000 Arbeitsplätze betroffen. KollegInnen aus Köln ergriffen daraufhin trotz des offensichtlichen Missfallens der örtlichen IG Metall die Initiative und fuhren nach Genk.
Am 7. November erfolgte der belgische Gegenbesuch anlässlich einer Sitzung des Europäischen Betriebsrats. Die Genker Kollegen betraten das Kölner Werksgelände und forderten dort den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Hinkelmann zu einem Gespräch auf. Dieser versuchte die Kollegen zu beschwichtigen und erntete Buhrufe.
Amoklauf der Polizei
Was dann folgte, verschlug vielen die Sprache: Als die Genker KollegInnen das Werksgelände nach einer kurzen Besetzungsaktion verließen, wurden sie von einem massiven Polizeiaufgebot aus mehreren Hundertschaften angegriffen und eingekesselt. Erst nach vielen Stunden und der Aufnahme ihrer Personalien ließ die Polizei sie wieder frei.
Kölner Beschäftigte konnten sich nicht solidarisieren, weil die Werkshallen verschlossen wurden (gemäß Notfallplänen für ein vereintes Vorgehen gegen „Arbeiterunruhen“ seitens Geschäftsleitung, Betriebsrat, Werksschutz und Medien, die bis auf den Ford-Streik von 1973 zurückgehen).
Auf sich allein gestellt sterben oder gemeinsam kämpfen?
Die Aktion der Genker Kollegen ist ein Beispiel für eine Arbeitskampfaktion, die Standort- und Ländergrenzen überwindet und die nicht den üblichen „Dienstweg“ einhält. Deshalb wohl die heftige Reaktion der Gegenseite.
In einer Solidaritätserklärung heisst es dazu: "Um ihre Beschäftigten im Griff zu behalten, wenden kapitalistische Firmen heute verschiedenste Methoden an. Ein wichtiges Mittel ist das Einschwören der Beschäftigten auf Standort-Chauvinismus: Im Fall von Opel schoss der Bochumer Betriebsratschef Einenkel im Jahr 2010 zunächst gegen den Standort Antwerpen („Das belgische Werk dürfe nicht auf Bochums Kosten gerettet werden.“, WAZ vom 7.4.10). Jetzt, da Antwerpen dicht ist, soll es Bochum an den Kragen gehen. Das Beispiel zeigt, wohin die Standortlogik führt.
"Für Beschäftigte stellt sich die Frage, sich auf diese Logik einlassen und einer nach dem anderen auf sich allein gestellt zu sterben. Oder sich an den Genker Kollegen ein Beispiel zu nehmen."
Solidaritätkreis gegründet
Durch die Ermittlungsverfahren wird nach Ansicht von Betroffenen und Unterstützern jeder, der gegen die Vernichtung seines Arbeitsplatzes kämpft, mit strafrechtlicher Verfolgung bedroht.
Deshalb haben einige von ihnen einen Solidaritätskreis ins Leben gerufen, der die Aussage der eingekesselten KollegInnen vom 7.11.12 bestätigt: „Das wahre Verbrechen besteht darin, Fabriken und Firmen zu schließen, tausende Menschen auf die Straße zu setzen und ihnen ihre Existenz zu rauben. Der Widerstand gegen Arbeitsplatzvernichtung ist voll und ganz gerechtfertigt. Wir lassen uns nicht vorschreiben, wie wir für unsere Arbeitsplätze zu kämpfen haben.“
Webseite des Solidaritätskreises: http://solikreis07nov.wordpress.com/
Solidaritätserklärungen an: solikreis0711@gmail.com
Solidarität mit unseren Ford-KollegInnen
Da die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren gegen 15 belgische Ford-Arbeiter und einen solidarischen Kollegen aus Köln eingeleitet hat, solidarisieren wir S-BahnerInnen aus Berlin vom ”AKTIONSAUSSCHUSS 100% S-BAHN” uns mit unseren Ford-KollegInnen und deren Unterstützer.
Es kann und darf nicht zu Unrecht werden, wenn wir uns als Beschäftigte, egal welcher Branche, kollektiv für unsere existenziellen Interessen einsetzen. Wenn von staatlicher Stelle der konsequente Widerstand von Beschäftigten zum Vorwurf der “Rädelsführerschaft” und dem “besonders schweren Fall von Landfriedensbruch” deklariert werden sollte, wird damit auch das Recht aller Beschäftigten in diesem Land, zum Kampf für unsere existenziellen Interessen, begraben.
“Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!” Berthold Brecht
Die am 07.11. 2012 eingesetzte Polizeigewalt gegen unsere KollegInnen und Ford-Beschäftigten als GewerkschafterInnen, ist auch ein Angriff gegen alle Beschäftigten und GewerkschafterInnen, die sich den Interessen und Forderungen der Beschäftigten verschrieben haben und nicht der Begleitung des skrupellosen Vorgehens von Management und Staat.
Der Angriff, der drohenden Schließung des Ford-Werkes Gent, auf die existenziellen Interessen der dortigen 4300 Ford-Beschäftigten, sollte vielmehr als die tatsächliche Rädelsführerschaft zum vorsätzlichen Bruch des Betriebsfriedens bei Ford durch das Management angesehen und verfolgt werden.
So rufen und fordern wir als S-BahnerInnen vom “AKTIONSAUSSCHUSS 100% S-BAHN” alle GewerkschafterInnen und KollegInnen dazu auf, sich an die Seite der Ford-KollegInnen zu stellen, damit unser aller grundlegendes Recht zum Widerstand nicht zum Unrecht wird.
Als Berliner S-BahnerInnen werden wir uns nun noch stärker auch dem Kampf gegen die Angriffe auf unser Recht zum Widerstand, im Zuge unseres aktiven Widerstandes gegen die staatlich gewollte Liberalisierung unserer Interessen als Beschäftigte, verpflichtet fühlen.
Mit kollegialen und solidarischen Grüßen
Die S-BahnerInnen vom “AKTIONSAUSSCHUSS 100% S-BAHN”
Aktionsausschuss.blogspot.com
Aktionsausschuss@googlemail.com