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Emmely: Prozess mit Überraschungen

erstellt von Solidarität mit Emmely zuletzt verändert: 28.01.2009 01:06
Berufungsprozess im Fall Emmely. Landesarbeitsgericht Berlin. 27.01.2009, 9:30Uhr. Eine Kundgebung unter dem Motto "Weg mit der Verdachtskündigung!" findet vor dem Gerichtsgebäude statt. Eine Stunde später geht’s ins LAG. Der Saal ist überfüllt, Bänke aus dem Warteraum werden herbeigeschafft, trotz dessen müssen viele stehen.

Der Tag fing mit einer Kundgebung vom Komitee "Solidarität mit Emmely" an. Etwa 50 Personen versammelten sich vor dem LAG Berlin. Die Stimmung war gut, die Redebeiträge auch: Gerd Julius vom DGB Kreisverband Tempelhof-Schöneberg erklärte die Solidarität seiner Organisation mit Emmely; Albert Scharenberg vom Komitee Grundrechte und Demokratie kritisierte die Verdachtskündigung unter bürgerrechtlichen Aspekten; die Gruppe Soziale Kämpfe wies auf die Notwendigkeit einer Solidarität hin, die verschiedene grenzen überschreitet; Renate Hürtgen kritisierte die Vorstellung einer harmonischen Welt ohne systematischer Interessengegensätze und rief die Richterschaft auf, sich gegen die herrschende Lehrmeinung zu stellen (auf dass sie am Ende nicht mehr herrsche). Eine rote Kanne sprach sogar als ideeller Gesamtshareholder von Kaiser's-Tengelmann zu uns. Die hatte allerdings nix freundliches zu sagen.

Nach der Kundgebung wurde das Berufungsverfahren von Emmelys Kündigungsschutzklage verhandelt. Das Verfahren bot drei Überraschungen:

Eine zentrale Zeugin aus dem ersten Verfahren, die Kassiererin K., wurde erneut befragt. Dabei ging es um den Kassiervorgang bei dem Emmely Pfandbons eingereicht hatte. Kaisers's hatte behauptet, diese Pfandbons hätten nicht ihr gehört. Die Zeugin bestätigte die Behauptungen von Kaiser's voll inhaltlich, ihre Aussagen waren aber widersprüchlich und mit einigen Ungereimtheiten versetzt. Sie bestätigte erstens sie dass sie die Pfandbons sofort als unabgezeichnet erkannte und sie daher nicht von eineR MitarbeiterIn sein konnten. Zweitens dass sie den Kassiervorgang trotzdem fortsetzte, als sei nichts gewesen und drittens vorhatte, ihrer Chefin später den Vorfall zu melden.

Die zweite Überraschung des Prozesstages war, dass die Urteilsverkündung auf den 24.02.2009 verschoben wurde. Dem Gericht fällt die Beweiswürdigung offenbar nicht so einfach wie in der ersten Instanz. Die Kritik an der herrschenden Rechtsprechung in Sachen  Verdachtskündigung teilt die Richterin Reber offensichtlich nicht. Damit hängt der Ausgang des Verfahrens allein von der Beweiswürdigung des Gerichtes ab.

Gerade nach dem Emmelys Marktleiter die Streikbrecher dazu aufgerufen hatte Unregelmäßigkeiten von Seiten der Streikenden zu melden, gerade in dem Moment soll sie einen Betrugsversuch begangen haben, bei dem sie von zwei Kolleginnen beobachtet wird.

Die Dritte Überraschung des Prozesses war das hohe Publikumsinteresse: Obwohl Bänke aus dem Wartebereich in den größten Gerichtssaal gebracht wurden, fanden nicht alle Zuschauer im Saal Platz, es waren mindestens 130 Personen anwesend.

Das LAG verkündet sein Urteil am 24.02.2009 um 8:45 Uhr in Saal 334 des Landesarbeitsgerichtes Berlin, Magdeburger Platz 1. Bis dahin ist unklar, wie das Verfahren ausgeht. Vor allem Emmely muss einen weiteren Monat in Ungewissheit leben. Emmely und ihre Anwälte erklärten nach dem Prozess, dass sie das Verfahren durch alle Instanzen durchfechten werden, wenn nötig bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

(3) Kommentare

Anonymer Benutzer 01.02.2009 20:29
Also ich finde es ein bisschen schade, dass in der Öffentlichkeit überhaupt nicht thematisiert wird, wie irrwitzig die Geschichte ist, mit der Kaisers Emmely loswerden will.

Lassen wir uns mal einen Moment auf Kaisers ein und hören uns an, wie sie behaupten, dass alles abgelaufen sei.

Emmely organisiert den Streik in ihrer Filiale. Die Distriktmangerin nimmt sich in - zum Teil mehrfachen - Einzelgesprächen die anfangs acht streikenden KollegInnen vor. Ziemlich erfolgreich, denn am Ende streikt nur noch Emmely.
 
Der Marktleiter gibt entgegen den internen Vorschriften des Qualitätshandbuches von Kaisers Emmely die Anweisung, am Backshop aufgefundene Pfandbons aufzuheben, falls sich ein Kunde melden sollte, dem sie gehören. Die Bons liegen einige Tage unbeachtet im Kassenbüro auf der Ablage, zu dem alle Zutritt haben.

Samstags veranstaltet der Marktleiter einen gemütlichen Bowling-Abend, zu dem nur die nicht streikenden KollegInnen eingeladen werden. In aufgekratzter Stimmung fordert der Marktleiter die versammelten Streikbrecher auf, doch aufzupassen, ob man bei Emmely nicht etwas finden könne, was nicht korrekt wäre.

Am Montag erfährt Emmely zufällig von dem Bowlingabend und fragt direkt eine Kollegin, wie es denn gewesen sei. Die Kollegin zögert einen Moment und sagt Emmely dann, dass der Marktleiter alle aufgefortdert habe zu schauen, ob man ihr nicht etwas anhängen könne.

Am Dienstag nach Schichtende tätigt Emmely wie schon häufig ihren Personaleinkauf. An der Kasse angelangt legt sie ihre Waren bei Frau K. (jener Hauptbelastungszeugin, die ihr offensichtlich nicht gesonnen ist) aufs Band. Die erste Kassererin Frau D. steht scheinbar zufällig neben ihr, da sie scheinbar an den Nebenkasse zu arbeiten anfangen will. In diesem Moment, als Frau D. ihr über die Schultern guckt, soll Emmely also die laut Kaisers die ihr nicht gehörenden Pfandbons aus dem Geldbeutel genommen haben und der Kassierin K. gegeben haben.

Warum sollte jemand, der am Tag vorher vorgewarnt wurde und dem die Chefin über die Schulter guckt, so etwas tun? Das ist einfach eine total unglaubwürdige Geschichte, die Kaisers uns da präsentiert.
Anonymer Benutzer 07.03.2009 18:10
Ich schließe mich meinem Vorredner an. Auch ich sehe den Kündigungsgrund als unglaubwürdig und daher vorgeschoben an.

Haben die Zeugen fotografische Gedächtnisse, dass sie sich nach 10 Tagen an den Wert von zwei gefunden Pfand-Bons erinnern, obgleich das finden von diesen Bons ein alltäglicher Vorgang sein dürfte und nach Aussage des Filialleiters auch ist? Können sich Zeugen plötzlich - bei einem Kassiervorgang - daran erinnern, dass vor 10 Tagen 2 Bons mit diesem Betrag auf den Kabelkanal abgelegt wurden, die dann die Klägerin vorgelegt haben soll? Alles mehr als unglaubwürdig!

Auch lassen die hier veröffentlichten Prozessberichte vermuten, dass kein fairer Prozess gewährt wurde. Ich persönlich halte es für höchst unwahrscheinlich, dass die Gerichte diese Geschichte als glaubwürdig angesehen haben.


Ich gehe eher davon aus, dass die Gerichte auf Grund der Maxime "Streitminimierung" so gehandelt haben, wie es im ArbGG § 57 Absatz 2 vom Gesetzgeber den Gerichten nahegelegt wird.

Schon hier könnte man unterschiedlicher Ansicht sein, darf ein Gericht ein Urteil anders sprechen als nach seiner Überzeugung? Das Grundgesetz sagt eigentlich nein, denn genau das wäre richterliche Willkür. Dem gesunden Menschenverstand nach - wenn ein unendlich langer Rechtsstreit anbahnt, der schwerwiegende Konsequenzen für den Kläger hat - könnte man das gerade noch für tolerierbar halten, ganz nach dem Sprichwort "Lieber eine Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende".

Denn Emmily wird ihren Arbeitsplatz auf Dauer nicht halten können. Kaisers wird höchstwahrscheinlich jede Gelegenheit nutzen, weitere Kündigungen auszusprechen. Je länger so ein Streit dauert, umso wahrscheinlicher wird es, dass Emmily dabei krank wird und umso unwahrscheinlicher wird eine Wiedereingliederung in die Arbeitswelt.


Auf der anderen Seite hat Kaisers höchstwahrscheinlich der Klägerin wegen der Streikteilnahme gekündigt

Die Teilname an an Streiks darf vom Arbeitgeber nicht bollkotiert werden. Das Streikrecht ist ein Weg um das Gleichgewicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu wahren. Werden Kündigungen aus diesem Grund ausgesprochen, muss das Gericht in aller Härte nicht gegen den Arbeitnehmer sondern gegen den Arbeitgeber vorgehen und zeigen, dass das Gericht mit seiner Handlungsweise nicht einverstanden ist.

Natürlich würde die Weiterbeschäftigung von Emmily zu einer hohen Belastung von Emmily selber führen.

Da dieser Prozess zeigt, dass die Belastung Emmily wohl erst mal gewachsen ist, hätte zumindest die zweite Instanz der Klage IMO stattgeben müssen.

Dass sie dies nicht erfolgt ist und dass das Gericht dann zusätzlich noch in der Pressemitteilung meint das es die Tat als erwiesen ansieht, geht IMO entschieden zu weit.

So wird die Klägerin vom Gericht quasi öffentlich an den Pranger gestellt.


Glücklicherweise haben die meisten doch ein gewisses Gespür für Unrecht, zwar wird diese Beschuldigung nur selten hinterfragt, aber die Öffentlichkeit kritisiert entschieden die Unverhältnismäßigkeit dieses Urteils. Sie vermuten nach wie vor durch Kaisers ein Bestrafung der Klägerung wegen des Streiks. Auf diese Weise hat das Gericht mit diesem Urteil nicht das erreicht, was es vermutlich erhofft hat, sondern hat der Justiz in der öffentlichen Meinung einen großen Schaden hinzugefügt und somit der Justiz keinen guten Dienst erwiesen..

Gerade in Zeiten, in denen der Eindruck einer Selbstbedienungsmentalität der Manager sich ergibt, sich die Einkommensschere weiter aufgetan hat und die Suppe der aktuellen Bankenmisere schlussendlich der kleine Mann auslöffeln wird, ist ein solches Urteil IMO entschieden das falsche Zeichen.


Dieses Urteil sollte daher schnellstmöglich aufgehoben werden und der Fall in die richtigen Bahnen gelenkt werden.
Anonymer Benutzer 26.04.2010 23:10
Bei den PFandflaschenautomaten, ist die Möglichkeit der Nachstellung gegeben !