Emmely: Prozess mit Überraschungen
Der Tag fing mit einer Kundgebung vom Komitee "Solidarität mit Emmely" an. Etwa 50 Personen versammelten sich vor dem LAG Berlin. Die Stimmung war gut, die Redebeiträge auch: Gerd Julius vom DGB Kreisverband Tempelhof-Schöneberg erklärte die Solidarität seiner Organisation mit Emmely; Albert Scharenberg vom Komitee Grundrechte und Demokratie kritisierte die Verdachtskündigung unter bürgerrechtlichen Aspekten; die Gruppe Soziale Kämpfe wies auf die Notwendigkeit einer Solidarität hin, die verschiedene grenzen überschreitet; Renate Hürtgen kritisierte die Vorstellung einer harmonischen Welt ohne systematischer Interessengegensätze und rief die Richterschaft auf, sich gegen die herrschende Lehrmeinung zu stellen (auf dass sie am Ende nicht mehr herrsche). Eine rote Kanne sprach sogar als ideeller Gesamtshareholder von Kaiser's-Tengelmann zu uns. Die hatte allerdings nix freundliches zu sagen.
Nach der Kundgebung wurde das Berufungsverfahren von Emmelys Kündigungsschutzklage verhandelt. Das Verfahren bot drei Überraschungen:
Eine zentrale Zeugin aus dem ersten Verfahren, die Kassiererin K., wurde erneut befragt. Dabei ging es um den Kassiervorgang bei dem Emmely Pfandbons eingereicht hatte. Kaisers's hatte behauptet, diese Pfandbons hätten nicht ihr gehört. Die Zeugin bestätigte die Behauptungen von Kaiser's voll inhaltlich, ihre Aussagen waren aber widersprüchlich und mit einigen Ungereimtheiten versetzt. Sie bestätigte erstens sie dass sie die Pfandbons sofort als unabgezeichnet erkannte und sie daher nicht von eineR MitarbeiterIn sein konnten. Zweitens dass sie den Kassiervorgang trotzdem fortsetzte, als sei nichts gewesen und drittens vorhatte, ihrer Chefin später den Vorfall zu melden.
Die zweite Überraschung des Prozesstages war, dass die Urteilsverkündung auf den 24.02.2009 verschoben wurde. Dem Gericht fällt die Beweiswürdigung offenbar nicht so einfach wie in der ersten Instanz. Die Kritik an der herrschenden Rechtsprechung in Sachen Verdachtskündigung teilt die Richterin Reber offensichtlich nicht. Damit hängt der Ausgang des Verfahrens allein von der Beweiswürdigung des Gerichtes ab.
Gerade nach dem Emmelys Marktleiter die Streikbrecher dazu aufgerufen hatte Unregelmäßigkeiten von Seiten der Streikenden zu melden, gerade in dem Moment soll sie einen Betrugsversuch begangen haben, bei dem sie von zwei Kolleginnen beobachtet wird.
Die Dritte Überraschung des Prozesses war das hohe Publikumsinteresse: Obwohl Bänke aus dem Wartebereich in den größten Gerichtssaal gebracht wurden, fanden nicht alle Zuschauer im Saal Platz, es waren mindestens 130 Personen anwesend.
Das LAG verkündet sein Urteil am 24.02.2009 um 8:45 Uhr in Saal 334 des Landesarbeitsgerichtes Berlin, Magdeburger Platz 1. Bis dahin ist unklar, wie das Verfahren ausgeht. Vor allem Emmely muss einen weiteren Monat in Ungewissheit leben. Emmely und ihre Anwälte erklärten nach dem Prozess, dass sie das Verfahren durch alle Instanzen durchfechten werden, wenn nötig bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Lassen wir uns mal einen Moment auf Kaisers ein und hören uns an, wie sie behaupten, dass alles abgelaufen sei.
Emmely organisiert den Streik in ihrer Filiale. Die Distriktmangerin nimmt sich in - zum Teil mehrfachen - Einzelgesprächen die anfangs acht streikenden KollegInnen vor. Ziemlich erfolgreich, denn am Ende streikt nur noch Emmely.
Der Marktleiter gibt entgegen den internen Vorschriften des Qualitätshandbuches von Kaisers Emmely die Anweisung, am Backshop aufgefundene Pfandbons aufzuheben, falls sich ein Kunde melden sollte, dem sie gehören. Die Bons liegen einige Tage unbeachtet im Kassenbüro auf der Ablage, zu dem alle Zutritt haben.
Samstags veranstaltet der Marktleiter einen gemütlichen Bowling-Abend, zu dem nur die nicht streikenden KollegInnen eingeladen werden. In aufgekratzter Stimmung fordert der Marktleiter die versammelten Streikbrecher auf, doch aufzupassen, ob man bei Emmely nicht etwas finden könne, was nicht korrekt wäre.
Am Montag erfährt Emmely zufällig von dem Bowlingabend und fragt direkt eine Kollegin, wie es denn gewesen sei. Die Kollegin zögert einen Moment und sagt Emmely dann, dass der Marktleiter alle aufgefortdert habe zu schauen, ob man ihr nicht etwas anhängen könne.
Am Dienstag nach Schichtende tätigt Emmely wie schon häufig ihren Personaleinkauf. An der Kasse angelangt legt sie ihre Waren bei Frau K. (jener Hauptbelastungszeugin, die ihr offensichtlich nicht gesonnen ist) aufs Band. Die erste Kassererin Frau D. steht scheinbar zufällig neben ihr, da sie scheinbar an den Nebenkasse zu arbeiten anfangen will. In diesem Moment, als Frau D. ihr über die Schultern guckt, soll Emmely also die laut Kaisers die ihr nicht gehörenden Pfandbons aus dem Geldbeutel genommen haben und der Kassierin K. gegeben haben.
Warum sollte jemand, der am Tag vorher vorgewarnt wurde und dem die Chefin über die Schulter guckt, so etwas tun? Das ist einfach eine total unglaubwürdige Geschichte, die Kaisers uns da präsentiert.