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Bericht vom LAG Hannover

by Wolfram Polar posted on 16.07.2005 09:32 last modified 30.07.2006 08:13 —

Prozessbericht vom 06.07.2005, LAG Hannover

Termin: 06.07.2005, 11:00 Uhr, 6. Kammer Richter Becker, Aktenzeichen 6 Sa 727/05

**Zuhörer: 21**

Kläger: Sven M. mit RA Koch

Beklagte: Braunschweiger Zeitungsverlag, Druckhaus Albert Limbach GmbH & Co. KG, Hamburger Straße 277, 38114 Braunschweig, Prozessbevollmächtigte: Herr RA Weberling und Herr Teschke, Leiter Personal und Recht.

Mit einer halben Stunde Verspätung eröffnet RI Becker mit den Beisitzern den Prozess 6 Sa 727/05 um 11:30 Uhr.

Es wird vorgetragen: Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30.04.2005 gekündigt, der Kammertermin ist der 02.08.2005, der Kläger Sven M. ist seit dem 01.02.2005 freigestellt und wurde nur bis Ende April 2005 bezahlt.

*RA Koch: Der Kündigung wurde formgerecht widersprochen, und die vertragsgemäße Beschäftigung soll fortgesetzt werden.*

**RI Becker: Ob die Widerspruchsgründe tatsächlich bestehen, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen, dafür hat der Gesetzgeber ein anderes Verfahren (Kammertermin) vorgesehen. Das Gericht beschränkt sich nur auf die nötigen Fakten für den Anspruch auf ein einstweiliges Verfügungsverfahren der Weiterbeschäftigung.**

**Richter Becker fragt nach der Möglichkeit eines Vergleichs und ob man dieses Verfahren und ein Kündigungsschutzprozess einvernehmlich beenden kann. Es sind schon fünf Monate ins Land gegangen, vielleicht hat sich schon etwas an der Situation geändert.**

RA Weberling: Die Beklagte hat in der Vergangenheit gekündigte MitarbeiterInnen auf freie Stellen im Unternehmen gesetzt bzw. wieder eingestellt. Nur MitarbeiterInnen die jeweils auf die freien Stellen passen.

*RA Koch: Wir bestreiten, dass in der Kündigungsfrist noch freie Stellen mit gekündigten MitarbeiterInnen besetzt wurden. Der Kläger hätte auf freie Stellen beschäftigt werden können.*

RA Weberling: Der Kläger hatte die Möglichkeit in eine Transfer- und Qualifizierungsgesellschaft (Autovision) zu wechseln, sowie den Sozialplan in Anspruch zu nehmen. Beides lehnte der Kläger ab. Eine weitere Beschäftigung sei nicht möglich.

**RI Becker erkundigt sich über die heutige Sicht einer Beschäftigungsmöglichkeit.**

RA Weberling: Es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit, da der Kläger Sven M. keine kaufmännische Ausbildung oder Erfahrungen in der Werbetätigkeit vorweisen kann.

Die Braunschweiger Zeitung hat schon vor einem Jahr beschlossen, dass die Kriterien für Stellenausschreibungen angehoben werden.

*RA Koch: Es gibt einen Sozialplan, sein Mandant kenne diesen, er möchte beschäftigt werden, Arbeitsplätze sind rar.*

RA Weberling: Der Kläger habe die Möglichkeit gehabt beim Dienstleister MSC zu arbeiten, nach einem Vorstellungsgespräch und auf anraten des Arbeitgebers einen Arbeitsplatzwechsel vorzunehmen, habe der Kläger die Stelle aber nicht angenommen und klage nun auf Weiterbeschäftigung im Pressehaus.

*RA Koch: Der Sozialplan ist gut, das ist unbestritten für den Kläger kommt aber nur eine Weiterbeschäftigung in Betracht und keine Abfindung.*

RA Weberling: Für den Arbeitgeber kommt jede Form der Weiterbeschäftigung nicht in Betracht. Andere MitarbeiterInnen haben von der Transfer- und Qualifizierungsgesellschaft profitiert, nur weil das Angebot vom Arbeitgeber kommt, muss dieses nicht zwangsläufig schlecht sein.

*RA Koch: erkundigt sich über die Wiedereinstellungsmöglichkeiten nach weiterer Qualifizierung des Klägers.*

RA Weberling: Wir können keine Wiedereinstellungsversprechen geben, weil keine Stelle frei ist, die Geschichte geht weiter und das Leben geht weiter. Je mehr sich der Kläger in die geforderte Richtung qualifiziert umso größer seien die beruflichen Perspektiven. Eine Arbeitsplatzgarantie könne man natürlich nicht geben.

*RA Koch: Wir kommen nur auf der Basis einer Good-will-Erklärung weiter.*

RA Weberling: Der Kläger ist seit 1992 im Unternehmen, es gibt Mitarbeiter, die schon sehr viel länger dabei sind.

*RA Koch: Vermittelt dem Gericht, das es sich hierbei auch um MitarbeiterInnen handelt, die ebenfalls nicht über eine kaufmännische Ausbildung verfügen und auf Grund ihrer Sozialdaten auch weniger Schutz als der Kläger benötigen.*

RA Weberling: erklärt, dass für die besagten Tätigkeiten eine lange Praxis Voraussetzung ist. Gleichzeitigt stellt Herr RA Weberling dem Kläger die Frage, warum dieser nach seiner Freistellung zum 01.02.2005 keine erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen selber absolviert hat.

Richter Becker fragt die Parteien, ob es Sinn macht eine Pause zu machen und vor der Tür über einen Vergleich zu beraten.

*RA Koch: meint, es hätte keinen Sinn, da ja noch 40 Prozesse anhängig sind.*

RA Weberling: korrigiert die genannte Zahl auf ca. 30 Prozesse und behauptet, das ja nicht alle aufs Geld aus seien. Auch in Anbetracht der anwesenden Prozesszuhörer wird es keinen Informationsaustauch auf dem Gerichtsflur geben.

**Richter Becker stellt RA Koch Fragen zum Antrag auf vertragsgemäße Beschäftigung. Nach dem Einstellungsvertrag aus den Jahre 1992 habe wir ein erweitertes Direktionsrecht, was hier die Beschäftigung des Verfügungsklägers als Schriftsetzer im Bereich Druckvorstufe vorsieht.**

Das Direktionsrecht besitzt der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer.

**Hierbei muss auch an die Zwangsvollstreckung gedacht werden. Es ist nicht Sache des Arbeitnehmers, das festzuschreiben, sondern das ist vertragsmäßig Sache des Arbeitgebers, dies festzustellen. Der Antrag müsste ohne diese Haupttätigkeit oder abgestuften Tätigkeiten gestellt werden.**

RA Koch korrigiert den Antrag dementsprechend.

*RA Koch: stellt den Antrag mit dem Schriftsatz vom 29.04.2005, vertragsgemäße Beschäftigung gemäß dem Anstellungsvertrag vom 12.10.1992.*

Richter Becker weist erneut darauf hin, dass das Gericht nicht zu prüfen hat, ob die Widerspruchsgründe überhaupt vorliegen.

**Richter Becker schließt die Verhandlung um 12.10 Uhr**

Die 6 Kammer zieht sich zur Beratung zurück, ein Urteil wird am Ende des Prozesstages verkündet.

(1) Kommentare

Anonymer Benutzer 17.07.2005 13:44
Im Betriebsverfassungsgesetz §102 Absatz 5 stehen die Voraussetzungen für die Weiterbeschäftigung.

„Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen.“

Sven hat alle Voraussetzungen erfüllt, dies wurde nun vom Landesarbeitsgericht festgestellt. Warum das Arbeitsgericht dies bereits nicht feststellen konnte , bleibt ein Ratespiel der richterlichen Unabhängigkeit. Es ist doch nur eine einfache Liste mit wenigen Punkten und geringen Anforderungen zu überprüfen. Diese Beschränkung auf diese definierten Faktoren hat die 6. Kammer mehrfach betont. Eine Vorwegnahme der Kündigungsschutzklage wurde unterbunden.

Gleichzeitig wurde durch das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Verweigerung einer Einstweiligen Verfügung nicht gegeben sind. Diese wären:

1. Die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint.

2. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde.

3. Der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

Dies führt nach dem Umkehrschluss zur der Feststellung, dass die Kündigungsschutzklage Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist. Eine Weiterbeschäftigung wirtschaftlich zumutbar ist und der Widerspruch des Betriebsrates begründet ist.

Es ist zugleich festgestellt worden, dass unser Betriebsrat wirkungsvolle und qualifizierte Widersprüche schreiben kann.