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Klinterklater Braunschweig berichtet:

by Wolfram Polar posted on 22.03.2005 11:30 last modified 30.07.2006 08:13 —

Entlassungen beim Braunschweiger Zeitungsverlag ... und die Braunschweiger Zeitung berichtet nichts.

Auch die Braunschweiger Zeitung berichtete über die Empörung, die die Deutsche Bank mit ihrer Absicht auslöste, trotz sprudelnder Gewinne weltweit über 5000 Stellen abzubauen. Dabei hätte die BZ hinreichend Anlass gehabt, in eigener Sache ähnlich Empörendes zu berichten: Obwohl der Braunschweiger Zeitungsverlag, der dieses Blatt herausgibt, ebenfalls schwarze Zahlen schreibt, wird er 74 Arbeitsplätze abbauen. Daher sind 52 Mit­arbei­terinnen und Mitarbeiter des Unternehmens Ende Januar gekündigt worden; die Differenz ergibt sich durch Altersfreizeit, Mutterschutz oder andere Maßnahmen.

Die Begründung ist nicht etwa der Wegfall der Arbeit durch Rationalisierung, denn die Arbeit muss nach wie vor gemacht werden. Sie wird, wie es neudeutsch so schön heißt, „outgesourct“ – also an Unternehmen mit Sitz in Cottbus und Magdeburg vergeben, weil diese wegen niedriger Löhne billiger arbeiten können. Die gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Durchschnitt 47 Jahre alt und 21 Jahre im Unternehmen beschäftigt und haben aufgrund ihres Alters wenig Chancen, einen neuen Job zu finden.

Das ist alles schon empörend genug und braucht einen Vergleich mit dem Verhalten der Deutschen Bank nicht zu scheuen. Dass dabei außerdem gegen das Kündigungsschutzgesetz verstoßen wurde, das vorsieht, dass Unternehmensleitung und Betriebsrat vor Kündigungen nach Wegen beraten müssen, Kündigungen zu vermeiden, passt in dieses unschöne Bild.

Das Ganze hat allerdings noch eine andere Seite. Auch die Braunschweiger Zeitung erhebt den Anspruch, über alle wichtigen Ereignisse in der Stadt, der Region und der Welt zu berichten. Aber über diese Massenentlassungen bei der BZ? Vor Monaten erschien eine versteckte kleine Mitteilung von wenigen Zeilen im Regionalteil der BZ – das war’s. Kein Artikel über Anlass der Kündigungen, kein Bericht über das Verhalten der Geschäftsleitung, kein Bild von den Protestdemonstrationen der Belegschaft. Und erst recht nichts über die Aktion der gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jeden Vormittag von 7.30 – 9.30 Uhr mit einer Mahnwache an der Einfahrt Mittelweg des Unternehmens gegen den Arbeits­platzabbau protestieren. Über die Gütetermine vor dem Arbeitsgericht, die auf die inzwischen eingereichten Kündigungsschutzklagen folgen werden, wird sicher auch kaum etwas in der BZ zu lesen sein.

Der bittere Beigeschmack, den dieses Verhalten bei den Leserinnen und Lesern der Zeitung hervorruft, und der Verlust an Glaubwürdigkeit scheint Herausgebern und Geschäftsführung nicht so wichtig zu sein.

Quelle: Klinterklater Braunschweig 1/2005

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