Nachtreten der Gewerkschaft
Eine unglaubliche Geschichte wird Netzwerk IT über Verdi berichtet, die hier veröffentlicht wird:
Gewerkschaftlicher Rechtsschutz gehört zum Kerngeschäft der Gewerkschaft, so steht es jedenfalls auf der Verdi Seite über die Beratung und Unterstützung ihrer Mitglieder. Schwierig wird es, wenn ein Mitglied genau diesen Rechtsschutz in einer Entscheidung über den Urlaub haben will, die das BAG, Az. 9 AZR 529/10 unter Beteiligung der Gewerkschaft schon einmal bereits entschieden hat.
Die Gewerkschaft hat anders als im BAG Urteil beschrieben, keine Diskriminierung in ihrem neuen Tarif gesehen, wonach die Grenze von 40 auf 55 Jahre heraufgeschoben wurde, nach der erst 30 Tage Urlaub gewährt werden. Um darüber entscheiden zu lassen, 15 Jahre länger auf den vollen Urlaub warten zu müssen, dafür gebe die Gewerkschaft keinen Rechtsschutz.
Die Gewerkschaft verweigert also den zum Kerngeschäft gehörenden Rechtsschutz und fährt dazu gleich noch weitere Geschütze auf:
- Wer in den vergangen Jahren ein Streikgeld bekam, muss es zurückzahlen. Es geht um einen Betrag unter 100 Euro.
- Wer wegen Verweigerung des Rechtsschutzes kündigen will, hat nach Meinung von Verdi keinen fristlosen Grund. Er muß noch monatelang Beiträge zahlen, obwohl ihn die Gewerkschaft schon verstoßen hat. Weigert sich ein so Ausgetretener hinterher noch weiter zu zahlen, hat die Gewerkschaft ihre Inkasso-Rechtsanwälte bereit, die alles pfänden, was zu bekommen ist.
Das ist doch eine richtige Freude bei Verdi Mitglied zu sein, nur Austreten darf man nicht. Das sollten alle wissen, die mit einer Mitgliedschaft liebäugeln.
Die hierzu angeforderte Stellungnahme der Gewerkschaft steht hier .
Ich beauftragte meinen Verdi-Rechtsberater, eine Kündigungsschutzklage für mich einzureichen. Hierfür gibt es eine Frist von drei Wochen. Als ich nach anderthalb Wochen noch nichts gehört hatte, rief ich den Berater an und erhielt - den Anrufbeantworter, der mir mitteilte, dass der Berater in Urlaub sei und erst zu einem späten Zeitpunkt (weit nach Verstreichen der Klagefrist) wieder da sei, man gerne zwischenzeitlich eine Nachricht hinterlassen könne, diese aber auch erst vom selben Berater nach seinem Urlaub abgehört werde. Na toll!
Bei Verdi sah sich niemand in der Lage, mir Auskunft zu erteilen, ob die Klage eingereicht war. Durch einen Anruf beim Arbeitsgericht in meiner Stadt erfuhr ich, dass dort keine Klage eingegangen war (später stellte sich heraus, dass sehr wohl eine Klage eingereicht wurde, jedoch in einer anderen Stadt, was zwar sachlich ok war, aber besagte Verwirrung gestiftet hatte und niemand wusste bescheid).
Da offenbar keine Klage eingereicht war und die Frist zu verstreichen drohte, beauftragte ich einen eigenen Anwalt. Dieser reichte die Klage innerhalb weniger Tage in meiner Stadt ein. Die von Verdi in der anderen Stadt habe ich dann zurückziehen lassen. Ich beantragte beim DGB Rechtsschutz, die Kosten des Anwalts zu erstatten. Zwei Tage später (so schnell kann es plötzlich gehen!) hatte ich die Ansage eines wütenden Verdi-Sekretärs auf meiner Mailbox, der die Ansage einleitete mit den Worten:
"Ich werde Ihnen jetzt mit ein paar klaren Worten sagen, was ich von Ihnen erwarte."
Daraufhin teilte er mir mit, dass es mir nicht zustünde, einen eigenen Anwalt zu beauftragen, das könne wenn überhaupt nur Verdi, und das nur in Ausnahmefällen und was mir denn überhaupt einfiele ("dafür gibt es klar festgelegte Strukturen und Hierarchien").
Aha, da fühlte sich ein Bürokrat scheinbar mächtig auf den Schlips getreten...
Rechtsschutz wurde mir von Verdi nicht mehr gewährt. Um keine Nachteile bzgl. Prozesskostenhilfe zu riskieren, spielte ich mit dem Gedanken, aus Verdi auszutreten. Ich las aber nochmal in dem Rechtsschutzantrag nach, den ich unterschrieben hatte, dass ich in diesem Fall alle entstandenen Kosten zu erstatten hätte.
Bisher habe ich also davon abgesehen.
Nebenbei gesagt: Der Verdi-Rechtsberater, mit dem ich zu tun hatte, hatte keine Ahnung von der Materie und fragte mich bei unserem dritten Telefongespräch, wo ich denn nochmal arbeiten würde (am Anfang des Gesprächs hatte er noch so getan, als sei er sich völlig im Bilde).
Zusammengefasst: Wenn ich mal jeglichen Anspruch, den ich an eine gewerkschaftliche Organisation habe, ganz zurückstelle und den Laden so betrachte wie ein Dienstleistungsunternehmen oder eine Versicherung (neben ihrer staatstragenden Funktion sind sie ja heute auch nicht mehr als das), dann muss ich feststellen:
Beim ADAC war der Service immer besser...