Verdi Stellungnahme zu Diskriminierung im Urlaub
Der Pressesprecher schreibt als erbetene Stellungnahme folgenden Brief:
In dem Ihnen offenbar vorliegende Fall gab es in der Tat einen Antrag auf Rechtschutz für ein Mitglied, das nach den mir zugegangenen Informationen gegen die neu getroffene Urlaubsregelung im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) klagen wollte. Dort wurde - in Folge der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) - eine neue Urlaubsregelung dahingehend getroffen, dass künftig (ab 2013) alle Beschäftigten im Geltungsbereich des TVöD einheitlich einen Anspruch auf 29 Tage Urlaub und ab dem 55. Lebensjahr einen Anspruch auf 30 Tage Urlaub haben. Das Mitglied im vorliegenden Fall sieht darin anscheinend eine Diskriminierung wegen Alters, weil es erst ab dem 55. Lebensjahr den zusätzlichen Urlaubstag erhält und beruft sich dabei auf die jüngste Entscheidung des BAG.
Nach der ver.di-Rechtschutzrichtlinie werden alle Anträge auf Rechtschutz sorgfältig geprüft, sowohl was das Vorliegen der formalen Voraussetzungen betrifft, als auch hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer Klage. In §4,4 der ver.di-Rechtschutzrichtlinie heißt es ausdrücklich: "Rechtsvertretung und Kostenübernahme werden nur gewährt, wenn hinreichende Erfolgsaussichten bestehen." Diese Erfolgsaussicht ist in dem vorliegenden Fall nach sorgfältiger Einschätzung unserer Juristen nicht gegeben. Das BAG hat zwar die alte Urlaubsregelung im TVöD und die dort vereinbarte Altersstaffelung als diskriminierend verworfen. Es hat aber Altersstaffelungen nicht grundsätzlich als unzulässig gewertet, sondern festgestellt, dass nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) eine entsprechende Regelung nur zulässig ist, wenn sie objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Dies sah das Gericht bei einer Gewährung zusätzlicher Urlaubstage ab dem 30. und dann ab dem 40. Lebensjahr als nicht gegeben an. Mit der Neuregelung eines zusätzlichen Urlaubstages ab dem 55. Lebensjahr waren sich die Tarifvertragsparteien allerdings übereinstimmend der Auffassung, "dass für Beschäftigte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, ein entsprechend höherer Erholungsbedarf besteht. Deshalb ist für diese Beschäftigten ein zusätzlicher Urlaubstag gerechtfertigt". Dies ist so auch in einer Niederschriftserklärung zum TVöD festgehalten. Damit kommen die Tarifvertragsparteien den Anforderungen aus der jüngsten Entscheidung des BAG nach, dass sie die entsprechende Regelung nachvollziehbar und objektiv angemessen begründen. Insofern erklärt sich auch die Einschätzung unserer Juristen, dass eine Klage gegen die neue Urlaubsregelung im TVöD keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte.
In Ihrer Einschätzung, dass der Rechtschutz "Kerngeschäft" einer Gewerkschaft ist, haben Sie zweifellos Recht. Allerdings legt die ver.di-Satzung eindeutig zu den Mitgliederleistungen (zu denen der gewerkschaftliche Rechtschutz, §15, Abs. 2d, gehört) in §15 Abs. 4 fest: "Alle Leistungen nach Abs. 2 und 3 sind freiwillig. Ein persönlicher Rechtsanspruch auf Leistungen besteht nicht. Leistungen von ver.di werden nur auf Antrag gewährt. Über die Leistungsgewährung entscheidet die nach den gemäß Absatz 7 erlassenen Richtlinien zuständige Stelle." Die Entscheidung im vorliegenden Fall ist also auf Basis der Satzungsregelung und nach Maßgabe der in der ver.di-Rechtschutzrichtlinie vorgesehenen Prüfungen getroffen worden.
Nun führen Sie weiter an, dass im vorliegenden Fall das Mitglied wegen der Verweigerung des Rechtschutzes austreten will und trotzdem noch "monatelang Beitrag zahlen" soll. Grundsätzlich gilt bei ver.di, wie in anderen Organisationen und Zusammenschlüssen auch, eine Kündigungsfrist. Diese ist in § 11 der Satzung geregelt. Dort heißt es in Abs. 1: "Die Mitgliedschaft endet durch Austritt, der schriftlich mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres beim zuständigen Bezirk zu erklären ist." Diese Kündigungsfrist gilt selbstverständlich auch für das Mitglied in dem von Ihnen angesprochenen Fall und wurde dem Mitglied auch entsprechend mitgeteilt. Die Beitragspflicht bleibt für die Zeit bis zur Beendigung der Mitgliedschaft bestehen. Insofern ist der Hinweis auf ein mögliches Inkasso-Verfahren keine "Drohung", wie Sie unterstellen, sondern ein Hinweis auf mögliche Rechtsfolgen.
Ich habe mich bemüht, trotz Ihrer eher rudimentären Hinweise auf den vorliegenden Fall, den Sachverhalt vollständig und umfassend zu recherchieren. Die vom Mitglied erhobenen Vorwürfe mögen subjektiv nachvollziehbar und der Enttäuschung über die Versagung des Rechtschutzes geschuldet sein. In der Sache gibt es aber kein Fehlverhalten von ver.di, weil in jedem Rechtschutzersuchen individuell geprüft werden muss, ob der Rechtschutz gewährt oder versagt wird. Dies gilt in jedem Einzelfall auch der Prüfung der Erfolgsaussichten. Es ist deshalb außerordentlich bedauerlich, dass das betreffende Mitglied sich wegen der Entscheidung, keinen Rechtschutz zu gewähren, zum Austritt entschlossen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Pressesprecher
Rückfrage Netzwerk IT:
ihre umfangreichen Einlassungen zur Rechtsschutzfrage sind zu umfangreich, um sie komplett übernehmen zu können. Ich fasse zusammen, dass die Auffassungen der Tarifvertragsparteien über eine neue Urlaubsregelung den Ausschlag für die Einschätzung der Aussichten eines Arbeitsrechtsverfahrens auf der Basis eines bestehenden BAG Urteils gegeben haben.
Die Drohung mit Inkasso-Rechtsanwälten interpretieren Sie als Hinweis auf Rechtsfolgen eines fristlosen Austrittes.
Erklärungen des Verdi Pressesprechers:
Ihre Zusammenfassung unserer Auffassung zu den Rechtschutzerfolgsaussichten ist sehr verkürzt.
Das BAG hat eine Entscheidung über die alte Urlaubsstaffelung getroffen und diese als diskriminierend verworfen, weil es für die Altersgrenzen 30 und 40 kein nachvollziehbares höheres Erholungsbedürfnis gebe. Das BAG hat ausdrücklich andere Staffelungen zugelassen, wenn sie objektiv angemessen und nachvollziehbar begründet sind. Dieser Auffassung tragen die Tarifvertragsparteien mit der Neuregelung Rechnung.
Es wäre sehr freundlich, wenn Sie dabei nicht unterschlagen würden, dass die von Ihnen angesprochene Entscheidung des BAG von einer bei ver.di organisierten Kollegin unter Gewährung gewerkschaftlichen Rechtschutzes erreicht wurde. Insofern lag uns an einer Klarstellung durch das BAG - was letztlich dazu geführt hat, dass die Tarifvertragsparteien mit der Neuregelung des Urlaubsanspruches im TVöD eine diskriminierungsfreie Regelung (weil nachvollziehbar und begründet) getroffen haben. Selbstverständlich fließen sowohl aktuelle Rechtsprechung und geänderte Rechtsgrundlagen gleichermaßen in die Beurteilung der Erfolgsaussichten ein.
Zur weiteren Klarstellung: Es gibt keine "Drohung" mit Inkasso-Rechtsanwälten, sondern es gibt lediglich den Hinweis, dass bei einem Beitragsrückstand infolge einer (nicht gerechtfertigten) fristlosen Kündigung gegebenenfalls ein Mahnverfahren eingeleitet wird.
Soweit ich den vorliegenden Fall recherchieren konnte, wurde von Seiten des Mitglieds sehr unmissverständlich der Austrittswunsch formuliert. Insofern sehe ich bedauerlicherweise keine Möglichkeiten für eine "friedliche Beendigung". Es ist auch eine Frage der Fairness und Gleichbehandlung gegenüber anderen Mitgliedern, dass bestimmte Regularien eingehalten werden.
2. Rückfrage Netzwerk IT:
das haben Zusammenfassungen so an sich, dass sie verkürzen, um es in der Form einigen Lesern darzulegen, die nicht die Zeit haben, alles noch zu studieren. Beim Zusammenfassen kann man eben nicht alle Details nennen, auch dass Verdi die BAG Entscheidung nicht erneut zur Diskussion stellen will.
Wie ich Ihren Hinweis auf Fairnis kurz ohne leere Floskeln mit Regularien nennen kann, habe ich nicht verstanden.
weitere Erklärungen des Verdi-Pressesprechers:
ich sehe einen Unterschied zwischen "zusammenfassen" und "verkürzen". Da ich mir die Mühe gemacht habe, Ihnen den Sachverhalt vollständig zu erläutern, würde ich mich freuen, wenn Sie sich die Mühe machen, ihn angemessen zusammenzufassen. Ich gehe davon aus, dass Sie auch den Lesern, die nicht die Zeit haben, alles noch zu studieren, die Fakten richtig darlegen wollen.
Warum sie den einen Satz, dass wir uns an der BAG-Entscheidung orientieren, nicht aufführen können, erschließt sich für mich nicht, auch nicht mit dem berechtigten Hinweis auf notwendige Kürze.
Zu Ihrem letzten Einwand folgende Hilfestellung, möglichst kurz und ohne Floskeln:
ver.di ist keine Rechtschutzversicherung mit willkürlichen Geschäftsbedingungen, sondern eine Mitgliederorganisation, in der die Mitglieder demokratische Entscheidungen treffen. Satzung und Richtlinien (auch die Rechtschutzrichtlinie) sind demokratisch von den Mitgliedergremien (Bundeskongress, Gewerkschaftsrat) beschlossen, deshalb sind wir im Sinne der Gleichbehandlung aller Mitglieder auch daran gebunden.
- An dieser Stelle wird die Diskussion unterbrochen, da sie keine neuen Details mehr liefert.