Backnang: Brandursache unbekannt, aber Nazis waren es nicht
Zunächst hieß es, der Ofen in der Wohnung sei wohl die Ursache. Der Ofen geriet allein durch sein Vorhandensein in Verdacht. Dann stellte sich heraus, dass dieser Ofen seit mehreren Tagen nicht mehr angeheizt worden war. Jetzt gilt die marode Elektrik im Haus als Ursache. Anfangs wurde noch vorsichtig formuliert, es gebe keinen Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund, inzwischen wird dieser ausgeschlossen. Aber es werde ergebnisoffen in alle Richtungen ermittelt.
Es muss bezweifelt werden, dass in Richtung Fremdenfeindlichkeit wirklich ermittelt wird. In einer Unterführung unmittelbar neben dem Gebäude haben Nazis die Wände mit ihren Parolen beschmiert. Ein Hakenkreuz scheint neueren Datums zu sein. Es ist falsch gedreht, wie das Hakenkreuz in der Nähe des von TürkInnen bewohnten Hauses in Ludwigshafen, das im Februar 2008 in Flammen aufging.
Dokumentation der Nazi-Schmierereien hier.
Die Ermittlungsbehörden schlossen einen Brandanschlag aus, weil außen am Haus keine Brandspuren zu sehen waren und weil es im Treppenhaus nicht gebrannt habe. Das Feuer sei in der Wohnung ausgebrochen. Die Polizei kann sich Nazis wohl nur als besoffene Krakeeler vorstellen, die mit Brandsätzen um sich werfen und maximal eine Treppenhaustür aufmachen können. Diese war in der Brandnacht wohl nicht verschlossen.
Spätestens nach den NSU-Morden sollten auch die Behörden zumindest ahnen, dass die Nazis sich bei ihren Verbrechen nicht immer blöd anstellen. Warum sollten sie nicht in der Lage sein, in die Wohnung einzudringen oder einen technischen Defekt auszulösen?
In dem fraglichen Gebäude in Backnang wohnten Menschen türkischer und tamilischer Herkunft. Auch ein deutsch-türkischer Kulturverein hatte Räume im Erdgeschoss. Nazis hatten das Gebäude im Visier, das zeigen ihre Schmierereien in der Unterführung vor dem Haus. Das Feuer brach am Sonntag morgen aus, gegen 4:30 h. Zu dieser Zeit hatten im gleichen Haus ein Nachtklub und eine Bar noch geöffnet. Mögliche Brandstifter würden also nicht allein schon durch ihre Präsenz zu dieser Nachtstunde auffallen.
Was ermittelt die Polizei denn in Richtung "fremdenfeindlicher Hintergrund"? Für die Nazi-Parolen in der Unterführung scheint sie sich jedenfalls nicht zu interessieren, diese Spuren wurden nicht gesichert. Sie befragte anscheinend auch nicht alle in der Nacht noch anwesenden Club-Besucher. Laut eigenen Angaben will sie nur Einsatzkräfte, Nachbarn, Familienangehörige und diejenigen befragen, die einen Notruf getätigt haben.
Von Ermittlungen in der Nazi-Szene ist nichts bekannt. Nicht untersucht wird anscheinend auch, wer das verwinkelte Gebäude gut genug kannte, um dort einen Anschlag zu planen.
Die etablierten Medien fragen auch nicht nach. Als auf der Pressekonferenz zum Brand ein türkischer Mann wissen wollte, wie denn der Ermittlungsstand zu sechs (versuchten) Anschlägen auf türkischsprachige Einrichtungen sei, antwortet der Polizeichef des Kreises, davon sei ihm nichts bekannt. Niemand hakte nach.
Die Stadt Backnang wird sicherlich bald die Wände in der Unterführung neu streichen - spätestens wenn etablierte Medien darauf aufmerksam machen. Dabei könnten wichtige Spuren vernichtet werden. Ganz abgesehen davon, muss sich die Stadtverwaltung Backnang fragen lassen, warum sie diese Nazischmierereien toleriert hat.
Weitere Informationen und Videos von der Pressekonferenz am 11.3.13 bei der Backnanger Zeitung online