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Vorbildlicher Arbeitnehmerdatenschutz bei der Bahn – alles Lüge?

erstellt von Max Moritz zuletzt verändert: 25.05.2010 23:37
25.5.2010. Gerd Becht, im Bahnvorstand zuständig für den Datenschutz, behauptet heute in einem Interview mit der Zeit, Mails der BahnerInnen würden nicht mehr überwacht. Tatsächlich werden Mail- und Internetverkehr aller MitarbeiterInnen weiterhin nach Auffälligkeiten durchsucht.

Nach den Datenskandalen versucht sich die Deutsche Bahn in der Öffentlichkeit als Vorbild beim Arbeitnehmerdatenschutz zu präsentieren. Gerd Becht wurde im Oktober 2009 als oberster Saubermann in den Bahnvorstand berufen. Im Mai 2010 trat eine neue Konzerndatenschutzbeauftragte ihr Amt an, ein prominent besetzter Beirat wurde gebildet. Mit dem Konzernbetriebsrat wurde ein Eckpunktepapier vereinbart, dessen  Kernaussage darin besteht, dass das Bundesdatenschutzgesetz künftig auch bei der Bahn gelten soll. Die Zukunft wird wohl erst Ende 2010 beginnen, dann soll eine Konzernbetriebsvereinbarung die Umsetzung des Datenschutzrechtes festschreiben. Bis dahin gilt weiterhin die bisherige die Konzernbetriebsvereinbarung IT (KBV-IT).

Die KBV-IT regelt die Überwachung des Email- und des Internetverkehrs der BahnerInnen. Drei Monate lang werden folgende Daten gespeichert: „Datum und Uhrzeit, E-Mail-Adressen von Absender und Empfänger bzw. IP-Adressen und Benutzernamen bei Internetnutzung, übertragene Datenmenge, Betreffzeilen von E-Mails bzw. der aufgerufenen Internetseiten (URLs) und spezifische technische Parameter; ob Anhang enthalten, bzw. heruntergeladene Dateitypen“. Diese Verkehrsdaten werden regelmäßig nach „Auffälligkeiten“ durchsucht. Auffällig können schon Mails an Journalisten oder das Aufrufen von Internetseiten wie dieser sein. Im Verdachtsfall wird auch der Inhalt der Mails durchforstet:

„Bei Vorliegen dokumentierter tatsächlicher Anhaltspunkte für einen schwerwiegenden Missbrauch, insbesondere für vertragswidriges Verhalten, erhebliche Verstöße gegen diese KBV oder gegen Strafvorschriften, können unter Beteiligung des Datenschutzbeauftragten durch die von der Konzernleitung benannten Verantwortlichen die Verkehrsdaten (auch personenbezogen) herangezogen und ausgewertet werden. Als ultima ratio (letztes Mittel) ist dies soweit erforderlich auch für Inhaltsdaten zulässig.“

Gegen die KBV-IT verstößt schon, wer im Internet als BahnerIn seine Meinung kund tut oder wer das Unternehmen beleidigt. Können Unternehmen beleidigt werden?

Auf die Frage im Zeitinterview „Und wenn es einen Verdacht gibt – verzichten Sie dann darauf, Festplatten zu kopieren oder E-Mails zu überwachen?“ antwortet Vorstand Becht: „Ja. Bei einem Verdacht auf eine Straftat schalten wir die Staatsanwaltschaft ein." Kennt er die KBV-IT nicht? Unwahrscheinlich.

Die Gewerkschaften Transnet und GDBA tragen die Mitarbeiterbespitzelung mit. Aber selbst bei der  Transnet  melden sich inzwischen kritische Stimmen. Die Transnet-Liste bei der DB Systel Frankfurt (IT-Tochter der Bahn) forderte im Mai diesen Jahres in einem Flugblatt zu den Betriebsratswahlen: „Keine Vorratsdatenspeicherung mehr -  Aufkündigung bzw. Neufassung der KBV IT". Die KollegInnen beklagen auch die mangelnde Aufklärung des Datenskandals:

"In der Betriebsversammlung vom 24. August 2009 forderte die Belegschaft mit überwältigender Mehrheit: 'Wir beantragen die vollständige und bereits im Mai diesen Jahres zugesagte Veröffentlichung der Abschlußberichte der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und der Rechtsanwaltskanzlei Baum und Däubler-Gmelin zum Datenskandal bei der Deutschen Bahn AG.' Auf diesen Abschlußbericht warten wir Kolleginnen und Kollegen nun schon seit einem dreiviertel Jahr..."

Herr Becht war auf der hier erwähnten Betriebsversammlung der DB Systel anwesend. Er sagte dort auch eine Prüfung der KBV-IT zu. Auch dazu haben die KollegInnen nie wieder etwas gehört. Mit im besten Falle halben Wahrheiten in Interviews wird Becht kaum das Vertrauen der BahnerInnen gewinnen können. 

Links: Zeit-Interview, KBV-IT, Transnet-Flugblatt

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