Dokumentation des Redebeitrags bei der Auftaktkundgebung in Esslingen Berkheim am 24.Okt.14
Wir sind heute hier in Berkheim, weil hier die BPR einen Standort hat. BPR ist mit dem AKW-Bau groß geworden. BPR verdient weiter am Bau von Atomkraftwerken.
In der Esslinger Zeitung von heute wirft uns nun die BPR Esslingen vor, wir hätten nicht sauber recherchiert, das Esslinger Büro habe mit AKW-Bau nichts zu tun.
Diesen Vorwurf weisen wir zurück. Wir kennen natürlich die interne Arbeitsteilung der BPR nicht. Das Esslinger BPR-Büro gehört zur Firma BPR Künne & Partner. In der Esslinger Zeitung wird suggeriert, BPR Künne & Partner habe mit der Atom-BPR nichts zu tun. Die Webseite der BPR sagt anderes. Zitat:
Mehr als zwei sind eine Gruppe. Wir sind drei. Drei Unternehmen, die durch ihre Partner miteinander verknüpft sind. In voller Länge heißen wir:
BPR · Beraten | Planen | Realisieren -Dipl.-Ing. Bernd F. Künne & Partner
BPR · Dr. Schäpertöns & Partner - Beraten |Planen | Realisieren
CQS Integrales Projektmanagment - in der BPR Dr. Schäpertöns & Partner
Drei Unternehmen, die zusammenarbeiten und gemeinsam Leistungen erbringen, die jedes einzeln für sich nicht schultern kann. Drei Unternehmen, die sich unterstützen und ergänzen. Eines für alle, und alle für eines. Über Grenzen hinweg. Wir sind mehr als die Summe unserer Teile, zusammengefasst sind wir die BPRGruppe oder noch kürzer und prägnanter: Wir sind BPR!
Wir werden im Folgenden auch kurz und prägnant von der „BPR” sprechen. Gestern rief uns der Leiter des Esslinger Büros an. Vor dem Büro der BPR werden wir mehr zu diesem Telefonat sagen.
In Deutschland wurden nach Fukushima acht AKWs vom Netz genommen. Neun AKWs produzieren weiterhin Atommüll. In Gronau im Münsterland wird Uran angereichert– mit unbefristeter Genehmigung. In Lingen in Niedersachsen produziert Areva Brennelemente – ebenfalls mit unbefristeter Genehmigung. Unternehmen in Deutschland exportieren Komponenten für Atomkraftwerke oder sind - wie Areva und BPR - direkt am Neubau von Atomkraftwerken beteiligt. Die Politik nennt das dann "Ausstieg aus der Kernenergie".
In Olkiluoto in Finnland bauen Siemens und Areva einen „EPR“. „EPR“ stand einmal für European Pressurized Water Reactor, Europäischer Druckwasser Reaktor also. Dann sollte „EPR“ für Evolutionary PowerReactor stehen - evolutionär, weil sich das Design ständig weiter entwickelte, mit anderen Worten: Weil die Pläne laufend geändert werden mussten.
2005 war in Olkiluoto Baubeginn, nach vier Jahren sollte der Reaktor Strom liefern. Schon 2006 begannen die Termin-Verschiebungen. Im September dieses Jahres wurde dann mitgeteilt, vor Ende 2018 werde das AKW nicht fertig werden. Wie 2005 dauert es auch heute noch vier Jahre bis das AKW fertig sein wird. Also keinerlei Baufortschritt in den letzten neun Jahren? Doch. Milliarden Euro wurden verbaut.
Ursprünglich sollte das AKW 3 Mrd. Euro kosten, heute sollen es 8,5 Milliarden sein, also fast dreimal soviel. Das AKW Olkiluoto befindet sich in guter oder besser, in schlechter Gesellschaft.
Der Bau des Berliner Flughafens wurde 2006 begonnen. Einen Monat vor der geplanten Eröffnung im Juni 2012 merkten die Bauherren plötzlich, dass der Flughafen nun doch noch nicht betriebsbereit war. Ein neuer Manager musste her. Mit Hartmut Mehdorn konnte ein Top-Manager mit Großprojekt-Erfahrung gewonnen werden. Mit dem „bestgeplanten Projekt“ Stuttgart 21 hatte er seine Eignung nachgewiesen. Bis heute verweigert der begnadete Manager die Nennung eines Termins für den Betriebsbeginn. Die Kosten kennt er allerdings schon. Statt ursprünglich 1,7 Milliarden, soll der Flughafen unter seiner Regie das Dreifache [5,4 Milliarden] kosten. Auch bei Stuttgart 21 werden sich die Kosten bald verdreifacht haben [ursprünglich 2,45 Milliarden Euro]. Mit der Elbphilharmonie, weiteren Atomkraftwerken und Rüstungs-Großprojekten ließe sich diese Reihe beliebig fortsetzen.
Nur noch ein Beispiel:
Das AKW Kudankulam in Südindien. Baubeginn des ersten Reaktors war 2001. Die Stromproduktion sollte 2007 beginnen. Das klappte nicht. Seit 2008 wurden neue End-Termine verkündet. Bis August dieses Jahres lautete das Mandra aus dem AKW-Management "Nächsten Monat, nächsten Monat!". Inzwischen wird nach dem Vorbild des Berliner Flughafens kein Produktionsbeginn mehr genannt. Das hässliche dabei ist, der Reaktor wurde im Juli letzten Jahres zum ersten Mal kritisch. Seither wird er im Probebetrieb herauf und herunter gefahren. Im vergangenen Mai wurden bei einem Störfall sechs Arbeiter zum Teil schwer verletzt. Ende September fiel der Reaktor wegen Turbinenschadens aus. Diese Woche wurde bekannt, dass es sich um einen Totalschaden handelt, die Turbine muss ausgetauscht werden.
All diese Groß-Projekte sind nicht wirtschaftlich. Was ist dann der Sinn solcher Großprojekte, die anscheinend nur Geld verbrennen?
Das Geld wird nicht verbrannt, es wird umverteilt: Von Strom- oder BahnkundInnen oder SteuerzahlerInnen an Unternehmen. Überschüssiges Kapital sucht Anlagemöglichkeiten, eben auch in sinnlosen und aufgezwungenen Großprojekten. Wenn sie sich nicht allzu blöd anstellen, machen die beteiligten Unternehmen satte Gewinne - egal ob das Projekt je fertig wird, egal ob etwas Brauchbares entsteht, egal ob Leben und Gesundheit von Menschen gefährdet werden. "S'isch nix Gscheits dabei rauskomma, guats Geld verdient hemrtrotzdem" freut sich der schwäbische Kapitalist.
Blöd angestellt haben sich in Olkiluoto Areva und Siemens, sie haben einen Festpreis für das AKW vereinbart. Sie führen jetzt einen Rechtsstreit mit ihrem finnischen Auftraggeber.
Nicht blöd angestellt hat sich die BPR. Sie hat sich ihren Anteil an den 8,5 Milliarden gesichert. In der Spitze arbeiteten 40 BPR-MitarbeiterInnen für Olkiluoto. Zum Vergleich: Nach IG Metall Angaben sichert Olkiluoto 1.000 Arbeitsplätze bei Areva. 40 sind da nicht so viele. Für die BPR aber sei
"das Projekt in Finnland der Auslöser des raschen Wachstums in den letzten Jahren gewesen",
schwärmte die BPR in ihrer Firmenzeitschrift BPR_aktuell.
2007 berichtete die BPR erstmals öffentlich über ihre Beteiligung am AKW-Bau in Olkiluoto, bis dahin fand dieses Geschäft "im stillen Kämmerlein"statt.
Nun berichtete BPR_aktuell:
"BPR unterstützt eine Tochtergesellschaft der AREVA NP bei der Objektplanung der baulichen Anlagen und der Qualitätskontrolle. Auch beim Detail Design des EPR in Olkiluoto ist BPR dabei. Hier wurde BPR mit der Führung der Standsicherheitsnachweise und der Erstellung aller für den Rohbau der Sicherheitsgebäude erforderlichen Pläne beauftragt."
Das war 2007. Die Zeiten haben sich geändert. Atomkraft ist nicht mehr imagefördernd. Areva NP - NP steht für Nuclear Power - nennt sich heute nur noch Areva, ohne den Zusatz NP. Und die BPR betreibt ihre Atomgeschäfte wieder im "stillen Kämmerlein".
Und weil wir gerade bei Großprojekten und Stuttgart 21 waren. Für solche Projekte lehnt BPR-Künne eine Bürgerbeteiligung ab, Zitat aus BPR_aktuell:
"Es ist einiges schiefgegangen in den letzten Jahren. Stuttgart 21, der neue Berliner Flughafen, … Können Bürger bei solchen Vorhaben überhaupt beteiligt werden? Ich würde sagen: Nein. Aus interessierten Laien werden keine vollständigen Fachleute. Aus Gegnern werden keine Befürworter. Zu viele Emotionen spielen eine Rolle … Die Sachlichkeit bleibt auf der Strecke. ...
Nicht jeder soll immer mitreden und - schlimmer- mitentscheiden dürfen. Das Vertrauen in die Fachleute darf nicht verlorengehen."
Wir sind hier, weil wir die Welt diesen verantwortungslosen Fachleuten a la BPR nicht überlassen wollen.
Zur Zeit baut Areva vier neue Atomkraftwerke. Außer dem genannten Reaktorin Finnland, einen in Flamanville in Frankreich und zwei Reaktoren in Taishan in China. Die Kosten für den EPR in Flamanville haben sich wie in Olkiluoto auf 8,5 Milliarden Euro verdreifacht. Alle Projekte sind im Verzug.
An allen Projekten ist die BPR mit "Planungs- und Steuerungsleistungen" beteiligt. Areva zeichnete die BPR als "Top-Lieferanten" aus. Neben 20 anderen Kriterien waren Zuverlässigkeit, Qualität und Termintreue ausschlaggebend für die Auszeichnung.
BPR wirkt nicht nur an allen laufenden EPR-Projekten mit. BPR darf sich auch auf neue Atomgeschäfte mit Areva freuen. Ganz konkret in England und möglicherweise auch in Indien.
Vor zwei Wochen, am 8. Oktober, genehmigte die noch amtierende EU-Kommission die Subventionen für das AKW Hinkley Point C in Südengland.
Dem AKW Konsortium, bestehend aus der französischen Energiegesellschaft EDF, Areva und zwei chinesischen Unternehmen, wurde für die nächsten 35 Jahre eine Einspeisevergütung zugesagt, die doppelt so hoch ist wie der aktuelle durchschnittliche Marktpreis. Plus Inflationsausgleich. Dazu kommen staatliche Kreditgarantien. Ohne diese wäre auf dem Kapitalmarkt kaum Geld aufzutreiben, Bau und Fertigstellung von AKWs werden als unsicher angesehen. Auch mögliche Geldgeber wissen, die Zukunft der Atomenergie ist nicht gesichert. Kalkuliert wird mit einer AKW-Laufzeit von 60 Jahren. Schon heute ist Windstrom billiger als der Atomstrom aus Hinkley-Point.
Atomkraft ist eine gescheiterte Technologie und kann mit den sinkenden Strompreisen der Erneuerbaren nicht mithalten. Ohne staatliche Profitgarantie würde keine einziges neues AKW gebaut werden.
Areva hat aus Olkiluoto gelernt. Jetzt wird ordentlich zugelangt. Zur Erinnerung: Olkiluoto und Flamanville sollen zur Zeit jeweils 8,5 Milliarden Euro kosten. Ein Reaktor in Hinkley Point soll jetzt über 15,5 Milliarden Euro kosten. Und - wenn die Kapitalkosten eingerechnet werden - sollen die beiden Hinkley-Point-Reaktoren insgesamt 43 Milliarden Euro kosten.
Die BPR scheint ihren Anteil an diesen Milliarden schon gesichert zu haben.In ihrer Selbstdarstellung beim Wirtschaftsförderverein in Augsburg öffnet sie die Tür zu ihrem "stillen Kämmerlein" einen Spalt weit:
"Neue Kernkraftwerke entstehen unter Planungsbeteiligung von BPR in Finnland, Frankreich, China und England", heißt es dort.
Eine Ergänzung zur Abstimmung in der EU Kommission:
Öffentlich bekannt ist, dass die Regierung Österreichs den Beschluss ablehnt, sie hat eine Klage angekündigt. Über das Abstimmungsverhalten unseres famosen Günther Oettinger gibt es nur Gerüchte. Wie Rebecca Harms im Handelsblatt schrieb, hat er der Subventionsfreigabe wohl zugestimmt. Im Hintergrund soll ein Kuhhandel stattgefunden haben: Deutschland subventioniert Unternehmen durch Freistellung von der EEG-Umlage und stimmt dafür der Atom-Subvention in England zu. Das ist Demokratie.
Im westindischen Jaitapur will Areva 6 EPRs bauen, in einem Erdbebengebiet. Der Preis für die Reaktoren wird noch verhandelt.
Als Gegenleistung für Aufhebung des Atomembargos gegen Indien im Jahre 2008 sicherte Indien den Import von Atomkraftwerken zu, ein Geschäft im 3-stelligenMilliardenbereich. Areva wurde der Standort Jaitapur zugesprochen.
Die Preisverhandlungen gestalten sich schwierig:
Zum Einen weil die indische Regierung einen Stromtarif auf dem Niveau von Hinkley Point bei den Verbrauchern nicht durchsetzen kann [über 9 Rupien pro Kilowattstunde, das sind ca. 12 EuroCent], zum Anderen weil Areva nicht für das gelieferte AKW haften möchte. Das indische Atomhaftungsgesetz sieht vor, dass der AKW-Betreiber im Katastrophenfall die AKW-Lieferanten in Regress nehmen kann. Ein zu hohes Risiko für Areva.
Die Menschen in der Region um Jaitapur lehnen das AKW strikt ab. Ein AKW in Jaitapur brächte nicht nur die übliche Verstrahlung und Risiken mit sich, es würde der Bevölkerung, die vom Fischfang lebt, unmittelbar die Existenz rauben. Die Areva-AKWs sollen mit Meerwasser gekühlt werden. Die Erwärmung des Wassers würde die Fischbestände beeinträchtigen. Einige Hundert Kilometer nördlich von Jaitapur wird seit Ende der sechziger Jahre der Atomkomplex Tarapur betrieben. Bei Tarapur gibt es keinen Fischfang mehr.
BPR hat bisher bei allen EPR-Projekten mitgearbeitet. BPR kann auch mit Atomgeschäften in Jaitapur rechnen.
Deshalb fordern wir hier in Berkheim:
Hände weg von Jaitapur!
Ob Süd, ob Nord - Atomkraft ist Mord!