Tarifeinheit - oder wie man unliebsame Konkurrenz ausschalten will
Seit der Tarifauseinandersetzung zwischen der GDL und der Deutschen Bahn AG 2007/2008 läuft in Wirtschaftskreisen, dem DGB und der Politik die Diskussion darüber, wie solchen Frechheiten durch kleinere Gewerkschaften entgegen zu treten ist. Dabei denken weitsichtige Strategen durchaus auch daran, dass sich irgendwann auch in Deutschland neue Gewerkschaften bilden könnten, die wohlmöglich den kämpferischen Basisgewerkschaften wie der SUD in Frankreich oder den COBAS in Italien nacheifern könnten.
Schon während des Tarifkonfliktes Jahr 2007 unternahm die DB AG Anstrengungen die GDL zu stoppen. Dabei bediente sie sich verschiedener Arbeitsgerichte (Mainz, Düsseldorf, Nürnberg, Chemnitz), um per Einstweiliger Verfügung jeden ökonomisch wirksamen Streik zu verbieten. Im Ergebnis der Einstweiligen Verfügungen am Arbeitsgericht Chemnitz vom 05.10.2007 wurde entschieden, dass die GDL zukünftig nur Streikmaßnahmen durchführen darf, die sich in ihrer Verhältnismäßigkeit am Allgemeinwohl und den wirtschaftlichen Gegebenheiten ausrichten. Damit wurde der GDL und in der Folge auch anderen Gewerkschaften außerhalb des DGB, faktisch das uneingeschränkte Streikrecht abgesprochen. Netzwerk IT berichtete darüber 2007 mit weiteren Fundstellen, darunter auch einem Link zum Urteilstext, in dem Artikel Streik-Grundrecht ist wiederhergestellt .
Leider haben sich die GDL-Funktionäre diesem verfassungswidrigen Eingriff in die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz) nicht widersetzt. Stattdessen dikierte im weiteren Verlauf des Tarifkonfliktes der juristsche Beraterstab der GDL die Streiktaktik. Dies führte dazu, dass mit Rücksicht auf die Verhältnismäßigkeit Streiks zwar immer wieder angedroht, aber letztlich trotz der Kampfbereitschaft der Lokführer nicht mehr durchgeführt wurden.
In Fortsetzung dieser ängstlichen Haltung wurde auch in der Tarifauseinandersetzungen 2009 von den GDL-Verhandlungsführer aus Angst vor der eigenen Stärke nicht vom Mittel Streik Gebrauch gemacht. So blieb die Frage der tatsächlichen Tarifmächtigkeit nach den ersten Einschränkungen durch die Arbeitsgerichte im Jahr 2007 unbeantwortet. Es wurde sich dem Diktat des Kapitals unterworfen, ohne sich die zukünftige Tragweite dieses Einknickens bewusst zu machen.
Im echten Leben klappen die pazifistischen Visionen leider nicht. Wer nach dem ersten Schlag des Gegners die linke Wange hinhält, statt die Faust zum Gegenschlag zu formen, wird nur eins bewirken: er wird weiter geschlagen werden, bis er aus der Opferrolle heraustritt und Widerstand leistet.
Auch der GDL ergeht es so. Ihr Zurückweichen seit 2007 hat keineswegs zum Nachlassen der Angriffe der Arbeitgeber und der mit ihnen eng verbundenen DGB-Gewerkschaften geführt. Im Gegenteil arbeiten seit 2007 der Arbeitgeberverband BDA und der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB an einem Gesetzentwurf, der die Tarifeinheit in ihrem Sinne wieder herstellen soll. Derweil verschweigt der GDL-Hauptvorstand das bestehende Problem gegenüber den Mitgliedern, um nicht in die für die staatstragenden, konservativen Funktionäre missliche Lage zu kommen, einen politischen Streik führen zu müssen. Wieder vertraut man den Rechtsberater und überschätzt noch dazu den eigenen Einfluss auf die schwarz-gelbe Bundesregierung völlig.
Und so kommt es im bisherigen Verlauf der Tarifrunde zu dem, was jeder halbwegs logisch denkende Mensch seit dem Urteil des Arbeitsgerichts Chemitz hätte sehen müssen. Das GDL-Verhandlungsteam wird von der Gegenseite regelrecht vorgeführt. Bei den seit Sommeer 2009 laufenden Verhandlungen wird sehr schnell klar, dass die Arbeitgeberseite gar kein Intresse daran hat, mit der GDL einen Tarifvertrag abzuschließen. Mit Hinblick auf die laufende Gesetzesinitiative von BDA und DGB werden Verhandlungen mittels absurder Begründungen von seitens der Arbeitgeberverbände verzögert. Parallel dazu ergreift die Transnet (jetzt EVG) ihre Chance in Zusammenarbeit mit der DB AG einen Branchentarifvertrag im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs abzuschließen. Wie schon im Jahr 2007, soll die GDL als einzige Alternative zur DGB Gewerkschaft EVG ausgeschaltet werden, was für die Beschäftigten vor allem eins bedeuten würde, deutlich niedrige Löhne zu akzeptieren, wie ein Blick in die Entgeldtabellen der EVG Branchentarifvertrag im Vergleich zum GDL Lokführertarifvertrag - Entgeldtabellen zeigt.