Sie sind hier: Startseite Benutzer AT-Abstandsgebot bei Bosch Sicherheitssysteme? AT-Mindestabstandsgebot bei der Bosch Sicherheitssysteme GmbH?

AT-Mindestabstandsgebot bei der Bosch Sicherheitssysteme GmbH?

erstellt von Abstand zuletzt verändert: 08.07.2012 22:08
München: Am 24.04.2012 um 11:15 Uhr findet ein Gütetermin am Arbeitsgericht München statt. Ein SL1-Mitarbeiter (so werden bei Bosch die außertariflichen Mitarbeiter in der Eingangsstufe genannt; Mitarbeiter in noch höheren SL-Stufen sind dann z.B. Abteilungsleiter oder auch Angehörige des Leitenden Direktionskreises) klagt wegen Nicht-Einhaltung des Mindestabstandsgebots nach dem bayerischen Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie durch den Arbeitgeber. Dem Vernehmen nach ist an der Zentrale der Bosch Sicherheitssysteme GmbH in Grasbrunn bei München eine ganze Reihe weiterer MA in ähnlicher Weise betroffen.

(2) Kommentare

Abstand 08.07.2012 17:38
Der Gütetermin am 24.04.2012 war gewiss einer der besonderen Art.
Der Vorsitzende der 28. Kammer, Richter Mack, wirkte sehr voreingenommen.
Zunächst erteilte er dem Syndikus des Arbeitgeberband (der bayer. M+E-Industrie), der die Beklagte vertrat, das Wort.
Der Syndikus polemisierte, der Kläger sei kein AT-MA, weil er "nie dazu ernannt" worden sei. Als IGM-Mitglied habe er allenfalls Anspruch, eine Eingruppierung nach ERA-TV zu verlangen. Da gäbe es ja ein passendes tarifliches Orientierungsbeispiel in Entgeltgruppe 7 (von 12 in Bayern), da werde sich der Kläger aber umsehen, wenn er einen deutlich fünfstelligen Betrag pro Jahr weniger verdiene als bislang.

Der Richter brachte dann als ersten Satz an den Kläger, der zwar mit Rechtsbeistand des DGB Rechtsschutz anwesend war, aber offenbar die Klage Ende 2011 eigenständig eingereicht hatte, einen Vorwurf. Sinngemäß: Herr Kläger, Ihre Klageschrift ist ja nahezu völlig unleserlich/unverständlich! Warum haben Sie sich, wenn Sie sich schon IGM-Mitglied sind, nicht gleich an den DGB Rechtsschutz gewandt?
Eine Antwort schien er nicht zu erwarten, sondern gleich durfte wieder der Syndikus loslegen.
Die SL1-Verträge bei der Beklagten seien "ganz normale" Verträge. Der Kläger meinte daraufhin kurz, bei einem tarifgebundenen Unternehmen wie der Beklagten seien ja wohl noch immer ERA-basierte Verträge der Normalfall. Der Syndikus behauptete, SL1-Verträge aber auch, und dass der des Klägers einen außertariflichen Status begründen solle, sei falsch/nicht erwiesen. Der Kläger wollte zur Widerlegung dieser Aussage des Syndikus beginnen, auf Anlagen der Klageschrift bzw. seines Arbeitsvertrages zu verweisen. Doch umgehend wurde er vorwurfsvoll vom Vorsitzenden unterbrochen, wo er denn da bei den vielen Anlagen suchen solle.
Vom DGB-Rechtsbeistand wurde erwähnt, es sei vor dem Gütermin ein Vergleichsangebot an die Beklagte ergangen, das aber unbeantwortet geblieben sei.
Der Syndikus meinte, natürlich, denn darin würde ja noch immer verlangt, den AT-Status anzuerkennen und nur für die Zeit vor der Klageeinreichung weniger Nachzahlung gefordert. Aber wegen des immensen Vertrauensverlustes könne es für die Beklagte nur um eine Aufhebung gehen, man habe dem Kläger ein "großzügiges" Beendigungsangebot unterbreitet, welches aber abgelehnt worden sei.
Effekthaschend kam die kühne Behauptung, er wisse von Frau Wankel vom bayer. IGM-Vorstand, dass SL1-Verträge wie der des Klägers keine außertariflichen Verträge seien. Dem DGB Rechtsbeistand wurde empfohlen, sich doch auch einmal bei ihr zu erkundigen. [Man darf gespannt sein, ob im weiteren Verfahrensgang dieser Auftritt nach Verpuffen des Eindrucks nicht ein schmerzhafter Schuss nach hinten wird]
Der Kläger kam dann auch einmal zu Wort und ging auf die Eingangsfrage des Richters ein. Er habe am Ende der Klageschrift doch begründend geschrieben, dass er aus Loyolitätsgründen zunächst bewusst weder Betriebsrat noch IGM habe informieren wollen.
Diesen Satz konnte er jedoch fast nicht zu Ende bringen, da herrschte ihn schon der Richter an: "Das war ein Fehler!"
Kurz darauf folgte dann als Steigerung seines Auftritts: "Herr Kläger, ich denke, Sie haben sich hier auf ein Feld begeben, von dem Sie keinerlei Ahnung haben!"
Objektive, neutrale und unvoreingenommene Prozessführung im Jahr 2012?!? Dürfen in München demnächst Kläger nicht mehr ohne RA erstinstanzlich klagen?
Vom DGB-Rechtsbeistand kam dann, man sehe es rechtlich gänzlich anders als der Syndikus, für den Kläger käme weder Klagerücknahme in Frage noch Aufhebung des Arbeitsverhältnisses.
Im übrigen werde beantragt, die Verhandlung zu verschieben, bis sie auf Antrag weitergeführt werden solle (mit einem 2. Gütetermin). Letzteres wurde dann vom Gericht beschlossen.

Inhaltlich/rechtlich wurde DGB-seitig wenig argumentiert, so dass Beobachter sich fragen konnten, wie gut vorbereitet von deren Seite der Gütetermin überhaupt angegangen wurde. Insbesondere da erstaunlicherweise seither noch kein Folgetermin für die Fortführung in Form zunächst eines 2. Gütetermins festgesetzt wurde.
Sollte er stattfinden, rechnen Beobachter mit einem kurzen Termin, da mit einer gütlichen Einigung wohl nicht zu rechnen ist, und ein Urteil von beiden Parteien erwünscht sein dürfte.

Es gibt allerdings am 12.07.2012 um 09:30 Uhr eine weitere Klage gegen die Bosch Sicherheitssysteme GmbH. Ein SL1-Mitarbeiter, dem die Beklagte den außertariflichen Status nicht zugestehen will, macht geltend, ihm müsse dann als IGM-Mitglied zumindest die 4,3%-Tariferhöhung ab Mai zugebilligt werden. Zudem sei dann der Passus im SL1-Vertrag nichtig, wonach Mehrarbeit und Reisezeiten durch die SL1-Vergütung pauschal abgegolten seien, da dies dem bayer. Manteltarifvetrag widerspreche, der ja greife, wenn der Arbeitgeber den AT-Status bestreite. Die weitere Klage findet vor der 25. Kammer des Arbeitsgerichts München statt.
Abstand 09.07.2013 21:16
Es geschehen noch Zeichen und Wunder!
Am 25.6.13 fand eine Berufungsverhandlung vor dem LAG München statt. Es war die Berufung des Klägers, der am 12.7.12 die Güteverhandlung vor der 25. Kammer des Arbeitsgerichts München hatte. In dieser wollte er zugesprochen bekommen, wenn er womöglich irgendwann tatsächlich als Nicht-AT-Mitarbeiter festgestellt sein sollte, was sein Arbeitgeber schließlich so behaupte, dann habe er als Mitglied der IG Metall zumindest den Anspruch auf die 4,3% Tariferhöhung seit Mai 2012. Zudem wollte er 2012 von der 25. Kammer festgestellt wissen, dass seine Klausel im sog. "SL1-Vertrag" bei Bosch Sicherheitssysteme, wonach mit der vertraglichen Vergütung jegliche Mehrarbeit und Reisezeit abgegolten sei, nichtig sei, und er vielmehr als Gewerkschaftsmitglied entsprechende Zahlungsansprüche gemäß der Bestimmungen des Manteltarifvertrags geltend machen könne. Er verlor offenbar gegen Ende 2012 erstinstanzlich diese Klage. Der erste Tag der Berufungsverhandlung fand vor der 7 Kammer (Vorsitzender Richter Karrasch) des LAG statt. Dieser begann damit, dass gleich drei interessante juristische Fragestellungen in der Berufungsklage steckten. Neben den oben genannten Aspekten noch, ob es sein könne, dass im SL1-Vertrag der Beklagten keine Wochenarbeitszeit genannt werde. Er fuhr fort, dass er nicht verstehen könne, wie das Arbeitsgericht (Kammer 25) kein Feststellungsinteresse der Klägers gesehen haben könne. Solle der Kläger denn nach jeder Dienstreise vor das Arbeitsgericht ziehen, um Zahlungsansprüche geltend zu machen? Überhaupt habe da das Arbeitsgericht wohl nicht so genau hingesehen. Es habe sich nicht mit der gebotenen Tiefe mit dem Sachverhalt befasst. Wie der Kläger ja ausgeführt habe, sehe ein Urteil des BAG aus 2011 vor, dass ein Arbeitgeber feste Mitarbeiter, die es nicht zu AT-Mitarbeitern mache, nach ERA-TV einzugruppieren habe. Da der Kläger bei der IG Metall sei, gelten für ihn - solange er kein AT-Mitarbeiter ist - nicht nur der MTV, sondern alle Tarifverträge der Branche. Zur im Vertrag fehlenden Arbeitszeit meinte er, das Nachweisgesetz sehe anderes vor. Und TVG und MTV sprächen wohl dafür, dass die Abgeltungsklausel nicht haltbar sein dürfte. Er neige bzgl. der geltend gemachten Vergütungserhöhung zu der Auffassung, dass vielleicht nicht wie beantragt das feste Monatsgehalt des Klägers mit seinem SL1-Vertrag als Bemessungsgrundlage für die 4,3%-Erhöhung heranzuziehen sei, sondern die ERA-Entgeltgruppe, in die er evtl. fiktiv einzugruppieren wäre, um anschließend daraus dann den Erhöhungsanspruch zu berechnen. Hierzu können sich nun bis 02. August 2013 beide Parteien per Schriftsatz äußern, mit der Verhandlung geht es dann am 15.10.2013 um 10:30 Uhr weiter. Der Kläger wurde durch RA Promoli aus München sehr effektiv vertreten. Der Syndikus des Arbeitgeberverbandes kam hingegen deutlich aus dem Konzept und musste sich gegenüber der Kammer entschuldigen, ihm sei gerade der Faden gerissen.
Im verbalen Schlagabtausch wurde dann übrigens kundgetan, dass es am 11. Juli 2013 vor der Kammer 26 des Arbeitsgericht im eigentlichen Hauptverfahren, das der Kläger angestrengt habe, erstinstanzlich weitergehe. Um 11:30 Uhr dieses Donnerstags findet also dieses interessanterweise nicht wie es zu erwarten gewesen wäre vor der Kammer 28 statt. Dies deutet darauf hin, dass es vielleicht einen erfolgreichen Befangenheitsantrag gegen Richter Mack gegeben hatte, was erheblichen Seltenheitswert hätte. Nach über 1,5 Jahren seit Klageerhebung findet offenbar endlich die mündliche Verhandlung jenes Verfahrens statt, in dem der Kläger festgestellt wissen will, dass er mit seinem SL1-Vertrag AT-Angestellter sei und Anspruch auf Vergütung mindestens in Höhe der im MTV definierten Abstandsgrenze zur obersten ERA-Entgeltgruppe 12 habe. Das dürfte durchaus spannend werden.