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Propagandakrieg in Berlin

by Eisenbahner posted on 03.01.2012 21:30 last modified 13.01.2012 19:00

Das Bahn-Management hat über die Feiertage einen Propagandakrieg gegen die eigenen Mitarbeiter entfacht. Hintergrund ist ein im Januar drohender Arbeitskonflikt gegen die Privatisierung, die von den S-Bahnern mit guten Argumenten abgelehnt wird.

Untersucht man die Öffentlichkeitsarbeit der Berliner S-Bahn zum Jahreswechsel, beschleicht einen das unangenehme Gefühl, dass einige Verantwortliche sich in einer Art Krieg gegen die Belegschaft wähnen. Sie verbreiten wider besseres Wissen öffentlich die groteske Propaganda die spontanen Erkrankungen der Lokführer seien an ausgefallenden Zügen schuld.

Gehen wir das Geschehen der Reihe nach durch.

Am 4. Advent fallen samstags reihenweise Züge aus. Ursache sind laut S-Bahn unvorhersehbare Erkrankungen von Lokführern. Mit dieser durchsichtigen Lüge empört die Geschäftsleitung Kunden und Beschäftigte

Inzwischen ist klar, dass die Öffentlichhkeitsarbeit bewusst gesteuert wurde. Sowohl kritische Nachfragen der Presse, Beschwerden von Kolleg/Innen und die Intervention von Betriebsrat und Gewerkschaften ergaben nämlich, dass derzeit mindestens 50 Lokführerstellen nicht besetzt sind. Diese und weitere Fakten hat der Betriebsrat klargestellt

Geht man vom bundesdeutschen Durchschnitt aus, berücksichtigt die Jahreszeit und die Arbeitsbedingungen der Lokführer mit krankmachenden Schichtplänen, dann hat der Betriebsrates recht. Der Krankenstand bei der S-Bahn "erscheint geradezu moderat."

Dazu passt, dass die Bahn keine genauen Zahlen nennt und somit für die Kunden nicht nachvollziehbar ist mit welchen Abwesenheitszahlen die Bahn ihre Personalreserve plant. Fakt ist jedenfalls, dass bereits Dienstag vor dem 4. Advent Lokführer per SMS aufs Diensthandy für freiwillige Samstagschichten gegen 80€ Bruttozulage gesucht wurden. Von wegen spontane Erkrankungen!

Die ganze Lüge ist nur deshalb nicht weiter aufgefallen, weil die Kolleg/Innen einhellig berichten, dass dies schon seit Monaten üblich ist. Die entnervte Berliner Öffentlichkeit stand noch ganz unter dem Eindruck des Totalausfalls der S-Bahn am Donnerstag.

In einer Art Teilrückzug bedauert der Arbeitsdirektor beim Monatsgespräch am 21.12.2011 gegenüber dem Betriebsrat, dass der Eindruck entstanden sei, sie hätten die Kunden gegen die Lokführer aufhetzen wollen. Gleichzeitig versuchen die Manager die Propagandalüge weichgespült aufrecht zu erhalten - bei dem bekannten Personalmangel seien halt plötzliche Krankmeldungen nicht mehr aufzufangen - und so die Kollegen gegen die Kranken auszuspielen.

Kaum ist die Empörung etwas abgeflaut, legt das DB-Management zu Silvester nach. Burkhard Ahlert, Sprecher der DB Mobility Logistics AG für Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, spricht am 30.12.2011 gegenüber der Presse über Zugausfälle zu Silvester, an denen erkrankte Lokführer schuld seien. Neben 50 fehlenden Lokführern hätten sich 50 Beschäftigte krank gemeldet.

Nochmal kurz nachrechnen: 50 Kranke bei 960 Lokführern macht exakt 5,2% Krankenstand - wahrlich moderat zu Silvester!

Wunschgemäß lauten die Schlagzeilen in der Presse "Zu viel Kranke bei der S-Bahn", "100 Fahrer fehlen, deswegen kann Fahrplan nicht eingehalten werden" usw.

Was soll das Ganze? Offensichtlich versucht das Management die Beschäftigten der S-Bahn einzuschüchtern, untereinander zu spalten und die Öffentlichkeit bereits im Vorfeld möglicher Protestaktion gegen die "bösen Lokführer" aufzuhetzen. Dazu wird in sogenannten Hintergrundgesprächen über einen - derzeit - frei erfundenen "wilden Streik per Krankschein" spekuliert.

Bleiben wir bei den Fakten. Bei der S-Bahn halten die Kolleg/Innen mit unglaublicher Kraft ein lebenswichtiges Versorgungssystem dieser Stadt aufrecht, dass aus Gewinninteressen an den Rand der Funktionsfähigkeit kaputtgespart wurde. Aber sie haben angefangen sich zu wehren und dazu als erste Maßnahme auf der Betriebsversammlung am 13.Dezember 2011 einen gewerkschaftsübergreifenden Aktionsaussschuss 100% S-Bahn gebildet

Weigert das Bahn-Management sich weiterhin auf ihre berechtigten Forderungen einzugehen, kann es demnächst zu Protesten kommen, die auch zu Zugausfällen führen könnten. Daran schuld sind dann aber nicht kranke Lokführer, sondern eiskalte Manager, die man erst mit kraftvollen Maßnahmen zwingen muss, endlich ihren Job zu machen und den Verkehrsvertrag mit dem Berliner Senat wie vereinbart zu erfüllen.

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